Im kommenden Jahr wird das 500. Jubiläum der Reformation feierlich begangen. Demnach wird nach wie vor der Anschlag der 95 Thesen aus der Feder Martin Luthers an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg am 31.10.1517 als Ausgangspunkt der Reformation angesehen, ungeachtet der Tatsache, dass bis heute in der Forschung umstritten ist, ob sich dieser Thesenanschlag überhaupt ereignet hat und welchen Stellenwert ihm eigentlich in der Reformation als einem Großereignis beizumessen ist. Denn als solches erstreckte es sich über mehrere Jahre, wenn nicht sogar über mehrere Jahrzehnte, so etwa die Einschätzung Olaf Mörkes (2005), der den Zeitraum von 1517 bis 1555 in den Blick nimmt. Bemerkenswert kontrovers wird seit 1980er Jahren auch über die Anfänge, die Impulse, die Zusammenhänge, die Merkmale und den spannungsreichen Verlauf der reformatorischen Theologie Martin Luthers nachgedacht, wobei immer häufiger Inkonsistenzen wahrgenommen, ausgesprochen und erörtert werden, statt sie nachträglich einzuebnen oder gar theologisch zu homogenisieren. So hat der Theologe und Kirchenhistoriker Volker Leppin jüngst (2015) sogar zu Bedenken gegeben, „ob die Suche nach einer reformatorischen Wende, nach einem punktuellen psychologisch greifbaren Durchbruch in Luders Entwicklung überhaupt geeignet ist, dem tatsächlichen Geschehen nahe zu kommen, und nicht vielmehr einer Stilisierung folgt, die Luther selbst in der bewussten Formung seiner Erinnerungen vorgenommen hat.“ Mit der Selbststilisierung Luthers und der Legendenbildung seiner Mitstreiter benennt Leppin einige zentrale methodische Probleme, denen sich mehr denn je eine jede Biographie über Martin Luther zu stellen hat. Abgesehen davon ist die Kirchengeschichte, die Theologie und selbstverständlich auch die Geschichtswissenschaft nach wie vor mit der elementaren Herausforderung konfrontiert, dass eine „jede Generation … sich erneut um das Bild des Reformators bemühen und ihres Wissens von ihm versichern“ müsse, wie es Martin Brecht im Vorwort zu dem ersten Band seiner Biographie über Martin Luther (1981) formuliert hat.
Das Seminar zielt auf den Vergleich ausgewählter Biographien über Martin Luther, um, erstens, die jeweilige Perspektive, die methodische Vorgehensweise, den Darstellungsstil und die inhaltlichen Gesichtspunkte vor Augen zu führen, zweitens, das jeweils präsentierte oder gewonnene ‚Bild des Reformators’ zu benennen und zu erläutern, und, drittens, wesentliche Stärken und Schwächen der Biographie als einer traditionsreichen Form der Geschichtsschreibung zu erörtern, die zwar zweifelsohne bis heute populär ist, aber zuweilen – so etwa Ende der 1970er Jahre – nicht als wissenschaftsadäquat beurteilt wurde.
Literatur in Auswahl: Erik H. Erikson, Der junge Mann Luther. Eine psychoanalytische und historische Studie, München 1958; Hans-Ulrich Wehler (Hrsg.), Geschichte und Psychoanalyse, Köln 1971; G. Klingenstein / H. Lutz / G. Stourzh (Hrsg.), Biographie und Geschichtswissenschaft, München 1979; Martin Brecht, Martin Luther, Bd. 1, Sein Weg zur Reformation, 1483-1521, Stuttgart 1981; Gerhard Bott (Hrsg.), Martin Luther und die Reformation in Deutschland (Ausstellungskatalog des Germanischen Nationalmuseums), Nürnberg 1983; Günter Vogler (Hrsg.), Martin Luther. Leben – Werk – Wirkung, Berlin 1986; Olaf Hähner, Historische Biographik. Die Entwicklung einer geschichtswissenschaftlichen Darstellungsform von der Antike bis ins 20. Jahrhundert, Frankfurt / Main 1999; Volker Leppin, Martin Luther, Darmstadt 2006; Heinz Schilling, Martin Luther, Rebell in einer Zeit des Umbruchs, München 2012; Reinhard Schwarz, Martin Luther. Lehrer der christlichen Religion, Tübingen 2015; Volker Reinhardt, Luther, der Ketzer. Rom und die Reformation, München 2016.
Rhythmus | Tag | Uhrzeit | Format / Ort | Zeitraum |
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Modul | Veranstaltung | Leistungen | |
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22-3.1 Hauptmodul Vormoderne
3.1.5 |
Seminar Vormoderne | Studienleistung
benotete Prüfungsleistung |
Studieninformation |
22-3.8 Wahlfreies Hauptmodul
3.1.5 |
Seminar | Studienleistung
benotete Prüfungsleistung |
Studieninformation |
Die verbindlichen Modulbeschreibungen enthalten weitere Informationen, auch zu den "Leistungen" und ihren Anforderungen. Sind mehrere "Leistungsformen" möglich, entscheiden die jeweiligen Lehrenden darüber.
Studiengang/-angebot | Gültigkeit | Variante | Untergliederung | Status | Sem. | LP | |
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Frauenstudien | (Einschreibung bis SoSe 2015) | ||||||
Geschichtswissenschaft (Gym/Ge) / Master of Education | (Einschreibung bis SoSe 2014) | 3.1.5 | Wahlpflicht | 8 | scheinfähig | ||
Studieren ab 50 |
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