Wir leben gegenwärtig in einer Kultur, in der sich der oder die Einzelne durch ganz neue mediale Möglichkeiten im digitalen Raum inszenieren kann, sich dabei aber auch Fragen nach dem Verhältnis von Individualität und Konformität, von Authentizität und Fiktion gefallen lassen muss. Diese Wechselbeziehungen sind allerdings nicht neu; vielmehr begleiten sie seit jeher die Geschichte der Individualitätskonzepte, des ‚Wissens vom Ich‘ und ihrer literarischen und medialen Repräsentationen. Wieviel außer-literarische Realität, wieviel ‚Autor:in‘ steckt in einem Text, in dem ein Ich von sich selbst schreibt? Wo sind biographische Lesarten erlaubt, ja wo legen sie die Texte selbst sogar nahe? Es gibt Gattungen, in denen die Grenze zwischen faktualer und fiktionaler Ich-Aussage nicht immer klar gezogen ist und die performativ mit diesem Übergang spielen: Reiseberichte gehören dazu, aber auch Autobiographien oder solche fiktionalen Texte, für die die Forschung den Begriff der Autofiktion geprägt hat. Auch an Schlüsselromane oder lyrische Texte mit einem ‚starken Ich‘ könnte man denken.
Das Seminar will solchen Grenzgängern zwischen Literatur und Leben im historischen und literarischen Vergleich näher kommen: Wir werden lyrische Texte aus der Antike (Horaz) mit solchen aus dem deutschen Barock (Paul Fleming) in Dialog bringen, Gedichte spanischer und deutschsprachiger Mystikerinnen (Teresa von Avila, Catharina Regina von Greiffenberg) aufeinander beziehen; wir werden Reiseberichte aus der Neuen Welt (etwa von Columbus und dem deutschen Söldner Hans Staden) lesen und versuchen, den intrikaten Autorschaftskonzepten der Frühen Neuzeit auf die Spur zu kommen. Auch Auszüge aus spanischen und deutschen Schelmenromanen des 16. und 17. Jahrhunderts lassen Rückschlüsse auf zeitspezifische Ich-Inszenierung zwischen Faktualität und Fiktionalität zu. Am Beispiel Goethes (Dichtung und Wahrheit) wird uns das Fiktionspotential autobiographischen Schreibens interessieren, das uns dann direkt ins 20. und 21. Jahrhundert hinüberführt, wenn wir Wissenschaftlerautobiographie (Werner Heisenberg) und Universitätsroman aufeinander beziehen und die neuesten autofiktionalen Ansätze in der Gegenwartsliteratur (Annie Ernaux, Joachim Meyerhoff) näher betrachten. Flankierend wollen wir auch theoretische Texte mit in die Diskussion hineinholen (Philippe Lejeune, Serge Doubrovsky).
Ich verstehen die vorgestellten Texte und Autor:innen explizit als Diskussionsangebot: Die genaue Auswahl wird in Absprache mit den Studierenden vorgenommen.
Literatur zur Einführung:
Alexandra Effe/Hannie Lawlor (Hg.): The Autofictional. Basingstoke 2022.
Loreen Dalski (Hg.): Optimierung des Selbst. Konzepte, Darstellungen und Praktiken. Bielefeld 2022.
Martina Wagner-Egelhaaf (Hg.): Auto(r)fiktion. Literarische Verfahren der Selbstkonstruktion. Bielefeld 2013.
Wagner-Egelhaaf u.a. (Hg.): Sich selbst erzählen. Autobiographie – Autofiktion – Autorschaft. Wiesbaden 2018.
Frequency | Weekday | Time | Format / Place | Period | |
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weekly | Do | 10-12 | S0-123 | 13.10.2025-06.02.2026 |
Module | Course | Requirements | |
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23-LIT-M-LitAM1 Aufbau-Modul I: Historische und systematische Aspekte der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft | Lehrveranstaltung 1 | Graded examination
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Lehrveranstaltung 2 | Study requirement
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Lehrveranstaltung 3 | Study requirement
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23-LIT-M-LitAM2 Aufbau-Modul II: Fachphilologische Vertiefung Germanistik | Lehrveranstaltung 1 | Study requirement
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Lehrveranstaltung 2 | Study requirement
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Lehrveranstaltung 3 | Graded examination
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23-LIT-M-LitGM1_a Grundlagenmodul 1: Allgemeine Literaturwissenschaft | Literaturtheorie / Literary Theory | Study requirement
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23-LIT-M-LitINT Intensivierung | Aufbaumodul Lehrveranstaltung 1 | Study requirement
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Aufbaumodul Lehrveranstaltung 2 | Study requirement
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Aufbaumodul Lehrveranstaltung 3 | Study requirement
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Profilmodul Lehrveranstaltung 1 | Study requirement
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Profilmodul Lehrveranstaltung 2 | Study requirement
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23-LIT-M-LitPM1 Profilmodul I: Literatur und Ästhetik | Lehrveranstaltung 1 | Graded examination
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Lehrveranstaltung 2 | Study requirement
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The binding module descriptions contain further information, including specifications on the "types of assignments" students need to complete. In cases where a module description mentions more than one kind of assignment, the respective member of the teaching staff will decide which task(s) they assign the students.