230061 Religion, Literatur und Gewalt. Gespräch und Gesprächsverweigerung zwischen den Kulturen, 1800/2000 (BS) (WiSe 2022/2023)

Inhalt, Kommentar

Liebe Studierende,

Sie haben sich für das Blockseminar mit Prof. Mandelartz, Meiji-Universität Tokyo, angemeldet. Das freut mich sehr. Und umso mehr bedauere ich, dass wir das Seminar verschieben müssen. Die Flugkosten sind derart in die Höhe gegangen, dass wir sie mit dem uns zur Verfügung stehenden Budget nicht mehr decken können, von einem Honorar für Herrn Mandelartz und von den Kosten für die Unterkunft ganz zu schweigen. Hinzu kommt, dass nicht sicher ist, ob Herr Mandelartz nach der Rückkehr 14 Tage in Quarantäne müsste. Da er aber gleich nach der Rückkehr in Japan mit dem Unterricht beginnen muss, darf er das nicht riskieren.
Im nächsten Frühjahr ist das anders: Dann hat er Forschungssemester und wird sowieso länger in Berlin sein. Von dort aus kommt er zu uns; in Quarantäne muss er nicht. Wir können das Ganze also finanzieren.

Ich bitte Sie deshalb herzlich um Verständnis, dass wir die Blockveranstaltung auf April/Mai 2023 verschieben müssen. Neuer Termin ist 24. April bis 6. Mai, wieder abends, alles genau, wie geplant.

Die Veranstaltung können Sie dann für das WS 22/23 anrechnen lassen oder für Sommer '23. Wir werden sie auch noch einmal neu ankündigen. Sollten Sie irgendwelche Fragen haben: Bitte, schreiben Sie mir.

Um Ihr freundliches Verständnis bittet, herzlich grüßend und noch eine schöne vorlesungsfreie Zeit wünschend,

Ihr
Wolfgang Braungart

Spätestens seit der sog. ‚Flüchtlingskrise‘ von 2015 ist das Verhältnis von Politik und Religion ins Zentrum des öffentlichen Diskurses der (nicht nur) deutschen Öffentlichkeit gerückt. Das Seminar thematisiert anhand religiöser, philosophischer und literarischer Texte die Voraussetzungen dieses Diskurses, der sich bislang im Wesentlichen auf das Verhältnis der Moderne zum Islam und zu den monotheistischen Religionen konzentriert. Demgegenüber wird das Seminar auch den (japanischen) Polytheismus einbeziehen.
Der Ägyptologe Jan Assmann vertritt seit gut zwanzig Jahren die These der intrinsischen Gewaltaffinität monotheistischer Religionen, die sich seit ihrer Erfindung im frühen Judentum nur durch gewaltsame Abgrenzung von polytheistischen Religionen erhalten könnten. Die Götter und Mythen der polytheistischen Religionen seien demgegenüber zwischen den Sprachen und Völkern übersetzt worden, so dass sich religiöse Gründe für
Gewalt einfach nicht ergeben hätten. In der Lesart Peter Sloterdijks hat die ‚moderne Zivilgesellschaft‘ ihre Mitglieder von den Anforderungen „totaler Mitgliedschaft“ suspendiert und sollte sich gegen ein erneutes Aufkommen der gewaltaffinen Monotheismen wappnen.
Die relativ simplen Gegenüberstellungen Assmanns (der seine These allerdings mehrfach modifiziert hat) und Sloterdijks lassen sich möglicherweise auflösen, wenn man die Entstehungsbedingungen der neueren Nationalismen unter die Lupe nimmt. Das soll zum einen anhand philosophischer und literarischer Texte aus dem Umfeld der Befreiungskriege gegen Napoleon (Fichte, Kleist) sowie Goethes, zum anderen anhand zentraler Texte der japanischen Edo-Zeit (1603-1868) geschehen, die den (polytheistischen) japanischen Shintoismus gegen die chinesische politische Philosophie und den Buddhismus in Stellung brachten. Die philologische Rekonstruktion und ideologische Deutung des Kojiki (712) durch Motoori Norinaga (1730-1801) und ihre nationalistische Überhöhung durch seinen Schüler Hirata Atsutane (1776-1843) wurden zu Beginn der Modernisierung (seit 1868) in Dienst genommen, um Japan als moderne Nation auf religiöser Grundlage ideologisch zu einen, ähnlich wie dies in Deutschland die Romantik mit der Rückwendung zum Mittelalter tat.

Literaturhinweise:

- Antoni, Klaus (Übers. u. Hg.): Kojiki – Aufzeichnung alter Begebenheiten. Frankfurt a. M.: Verlag der Weltreligionen 2012
- Antoni, Klaus: Der ‚göttliche Untertan‘ – Das Menschenbild der Shintô-Mythologie. In: 4 Universitas. Zeitschrift für Wissenschaft, Kunst und Literatur 45 (1990), H. 10, S. 939-950
- Antoni, Klaus: Die ‚Trennung von Göttern und Buddhas‘ (shimbutsu-bunri) am Ômiwa-Schrein in den Jahren der Meiji-Restauration. In: Festgabe für Nelly Naumann. Hg. v. Klaus Antoni und Maria-Verena. Hamburg: OAG 1993, S. 21-52
- Antoni, Klaus (Hrsg.): Shintô und die Konzeption des japanischen Nationalwesens (kokutai). Der religiöse Traditionalismus in Neuzeit und Moderne Japans. Leiden: Brill 1998
- Assmann, Jan: Die mosaische Unterscheidung oder der Preis des Monotheismus. München: Hanser 2003
- Assmann, Jan: Moses der Ägypter. Entzifferung einer Gedächtnisspur. Frankfurt a. M.: Fischer (zuerst 1998)
- Assmann, Jan: Totale Religion. Ursprünge und Formen puritanischer Verschärfung. Wien: Picus 2016
- Bauer, Thomas: Die Kultur der Ambiguität. Eine andere Geschichte des Islams. Berlin: Verlag der Weltreligionen 2011
- Bohnenkamp, Anne: Rezeption der Rezeption. Goethes Entwurf einer ‚Weltliteratur‘ im Kontext seiner Zeitschrift Über Kunst und Altertum, in: Spuren, Signaturen, Spiegelungen. Zur Goethe-Rezeption in Europa. Hrsg. v. Bernhard Beutler und Anke Bosse. Köln, Weimar, Wien: Böhlau 2000, S. 187-205
- Braungart, Wolfgang u.a. (Hg.): Literatur / Religion. Bilanz und Perspektiven eines interdisziplinären Forschungsgebietes. Stuttgart: Metzler, Springer 2019
- Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. In: Fichtes Werke. Hg. v. Immanuel Hermann Fichte. Berlin: de Gruyter 1971, Bd. VII
- Goethe, Johann Wolfgang: Sämtliche Werke. Briefe, Tagebücher und Gespräche. Hg. v. Friedmar Apel u.a. Frankfurt a. M.: Deutscher Klassiker Verlag 1985-2013. Darin: Bd. 6: Des Epimenides Erwachen; Bd. 22: Schriften zum Thema ‚Weltliteratur‘
- Hirata Atsutane: Taido Wakumon – Es fragte einer nach dem Grossen Weg. Übers. v. Heinrich Dumoulin. In: Monumenta Nipponica 2 (1939), H. 1, S. 212-236
- Kleist, Heinrich von: Sämtliche Werke und Briefe. Hrsg. v. Ilse -Marie Barth u.a. Franfurt a. M.: Deutscher Klassiker Verlag 1987-1997, Bd. 3
- Maruyama, Masao: Denken in Japan. In: ders.: Denken in Japan. Übers. v. Wolfgang Schamoni und Wolfgang Seifert. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1988, S. 21-88
- Motoori Norinaga: Naobi no Mitama. Geist der Erneuerung. Übers. v. Hans Stolte. In: Monumenta Nipponica 2 (1939), H. 1, S. 193-211
- Naumann, Nelly: Die Mythen des alten Japan. Köln: Anaconda 2011 (zuerst München: Beck 1996)
- Naumann, Nelly: Die webende Göttin. In: Nachrichten der Gesellschaft für Natur - und Völkerkunde Ostasiens 28 (1983), H. 1/2, S. 5-93
- Schieder, Rolf (Hg.): Die Gewalt des einen Gottes. Die Monotheismus -Debatte. Berlin: Berlin University Press 2014
- Sloterdijk, Peter: Gottes Eifer. Vom Kampf der drei Monotheismen. Frankfurt a. M.: Verlag der Weltreligionen 2007
- Sloterdijk, Peter: Im Schatten des Sinai. Fußnote über Ursprünge und Wandlungen totaler Mitgliedschaft. In: Schieder (Hg.): Die Gewalt des einen Gottes, S. 124-149

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23-LIT-PM1 Profilmodul 1: Literatur- und Kulturgeschichte Angeleitetes Selbststudium Studieninformation
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Blockseminar (BS) / 2
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