300066 Der Erste Weltkrieg aus soziologietheoretischer Perspektive (MA Soz 6.2 - Neuer MA: Soziologische Theorie) (S) (SoSe 2014)

Obwohl der Erste Weltkrieg, dessen Ausbruch sich in diesem Jahr zum einhundertsten Mal jährt, die soziale Welt des 20. Jahrhunderts maßgeblich geprägt hat, ist er nur wenig zum Gegenstand soziologietheoretischer Anstrengungen gemacht worden. Dabei lässt sich für diese Zeit eine veritable gesellschaftliche Transformation beobachten – von einer funktional differenzierten Gesellschaft zu einer zu Kriegszwecken organisierten Gesellschaft mit tendenziell diktatorischer Spitze und zentraler Steuerung -, die eine eminente theoretische Herausforderung darstellt. Einzelne Felder dieser gesellschaftlichen Transformation sollen historisch anhand von geschichtswissenschaftlicher Literatur historisch aufgearbeitet und theoretisch analysiert werden.

Gegenstand der Sitzungen werden u. a. folgende Themen:

• Herbert Spencers militant type of society als theoretisches Instrument zur Analyse von Kriegsgesellschaften
• Europa in der Weltgesellschaft vor 1914
• Die Rivalität zwischen politischer und militärischer Führung im Krieg
• Mobilisierung und zentrale Steuerung
• Industrielle Beziehungen im Krieg
• Hindenburg-Programm
• Frauen im Ersten Weltkrieg
• Kriegsgesellschaftliches Dilemma – Soziale Proteste und Revolutionen
• Inklusion in die Kriegsgesellschaft
• Exklusion
• Der Erste Weltkrieg aus systemtheoretischer Sicht

Teilnahmevoraussetzungen, notwendige Vorkenntnisse

Teilnahmevoraussetzung ist ein solides geschichtliches Grundwissen über den Ersten Weltkrieg, die Übernahme eines Referats sowie die Bereitschaft und Fähigkeit, dabei selbständig thematisch relevante historische Literatur zu erschließen. Im StudIP werden Texte bereitgestellt, mit denen die Studierenden sich das erforderliche historische Basiswissen aneignen können

Literaturangaben

Einführungsliteratur zur Geschichte des Ersten Weltkriegs:

Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich, Irina Renz (Hg.), Enzyklopädie Erster Weltkrieg, Paderborn: Schönigh 2008 (eine Fundgrube mit weiterführenden Literaturangaben).
Spencer C. Tucker (ed.), The European Powers in the First World War. An Encyclopedia, 1999 (noch eine Fundgrube).
Herwig Münkler, Der große Krieg. Die Welt 1914-1918. Berlin: Berlin Verlag 2013 (aktuell vielleicht beste Gesamtdarstellung des Ersten Weltkriegs).
Hans-Ulrich Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte 1914-1949, München: C.H.Beck 2003, 3-197 (Analyse der deutschen Kriegsgesellschaft).

Einführungsliteratur zur Theorie von Krieg und Gesellschaft:

Hans Joas/ Wolfgang Knöbl, Kriegsverdrängung. Ein Problem in der Geschichte der Sozialtheorie. Suhrkamp: Frankfurt am Main 2008 (als Überblick besonders zu empfehlen).
Volker Kruse, Mobilisierung und kriegsgesellschaftliches Dilemma. Beobachtungen zur kriegsgesellschaftlichen Moderne, in: Zeitschrift für Soziologie 38 (2009), 198-214.
Barbara Kuchler, Kriege. Eine Gesellschaftstheorie gewaltsamer Konflikte. Campus: Frankfurt/ New York 2013 (Kriege aus systemtheoretischer Perspektive betrachtet).
Martin Shaw, Dialectics of War. An Essay in the Social Theory of Total War and Peace, London 1988 (das Zeitalter der Weltkriege aus historisch-soziologischer Sicht).
Herbert Spencer, The Principles of Sociology, in: The Works of Herbert Spencer, Vol. VIII, Osnabrück 1966 (1902), 568-601 (grundlegend zum theoretischen Verständnis kriegsgesellschaftlicher Prozesse).