Während „Führung“ in der Organisations- und Managementforschung einen allgegenwärtigen Begriff darstellt, ist ein genuin soziologisches Interesse am Gegenstand heute kaum ausgeprägt. Dies war nicht immer so: In der Zwischenkriegszeit des 20. Jahrhunderts bildete „Führung“ einen vieldiskutierten Grundbegriff der deutschsprachigen Soziologie. Zeitgenössische Autoren (und Autorinnen!) erblickten darin ein allgemeines soziologisches Phänomen, das es vor allem in seinem Verhältnis zur „Herrschaft“ näher zu bestimmen galt. Führung verstanden sie als eine „Funktion, die in allen gesellschaftlichen Gruppen auftritt“ (Theodor Geiger), im Staat wie in der Kirche, in der Familie wie in der beruflichen Organisation, in der Partei wie auch im Sportverein.
Ausgehend von einem aktuellen soziologischen Begriffsvorschlag spüren wir dieser heute kaum beachteten soziologischen Begriffstradition von Führung theoriegeschichtlich nach und fragen nach ihrer Bedeutung für die Analyse gegenwärtiger Führungsphänomene. Unseren Fokus richten wir dabei auf einen pluralistischen Begriff von Führung, dessen Bezugsebene (Interaktionen, Gruppen, Organisationen, ganze Gesellschaften) von der Soziologie immer schon als variabel verstanden worden ist, sowie auf das – theoretisch wie empirisch – spannungsreiche Verhältnis von Führung und „Führern“ zur legalen Herrschaft bzw. formalen Hierarchie.
Im ersten Seminarteil („Back to the Roots“) widmen wir uns, neben den zahlreichen Beiträgen zu „Führung“ und „Führern“ in der Zeit der Weimarer Republik, sowohl einem bis heute vielzitierten (aber oft schlecht rezipierten) „Klassiker“ der Führungsforschung: Max Webers Begriff der „charismatischen Herrschaft“, als auch einer von der Soziologie bislang völlig vernachlässigten, pluralistischen Führungstheorie aus der Feder des einflussreichen Staats- und Völkerrechtslehrers Heinrich Triepel. Wir beschäftigen uns mit dem Verhältnis der soziologischen Führungstheorien zu nationalsozialistischen Führungskonzeptionen sowie mit der Rezeption des Führungsbegriffs in der soziologischen Organisationstheorie der 1960er Jahre (insb. A. Etzioni, N. Luhmann). Im zweiten Seminarteil („Back to the Future“) werden wir die gewonnenen theoretischen und theoriegeschichtlichen Einsichten auf aktuelle Fragestellungen und Probleme soziologischer Führungsforschung beziehen.
— Kenntnisse und Interesse an Geschichte und Theorien der Soziologe, insb. der Organisationssoziologie
— Regelmäßige Anwesenheit und aktive Beteiligung am Seminargeschehen
— Lektüre der erforderlichen Literatur zu jeder Sitzung
Rhythmus | Tag | Uhrzeit | Format / Ort | Zeitraum | |
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wöchentlich | Di | 16-18 | X-E0-216 | 08.04.-19.07.2024 |
Die verbindlichen Modulbeschreibungen enthalten weitere Informationen, auch zu den "Leistungen" und ihren Anforderungen. Sind mehrere "Leistungsformen" möglich, entscheiden die jeweiligen Lehrenden darüber.
Zu dieser Veranstaltung existiert ein Lernraum im E-Learning System. Lehrende können dort Materialien zu dieser Lehrveranstaltung bereitstellen: