Seit den 1980er Jahren sahen sich Historiker und Sozialwissenschaftler in mehreren Ländern Europas dazu veranlasst, auf den herausragenden Stellenwert von Agrarwirtschaft und ländlichen Gesellschaften in der Vormoderne aufmerksam zu machen, der selbst noch bis weit in das 19. Jahrhundert konstatiert werden müsse. Die Bedingungen und Ursachen für diese vermeintlich lange Kontinuität der Agrarverhältnisse und ländlichen Lebensbedingungen in Europa wurden freilich zunehmend kontrovers diskutiert, so dass sich Fragen insbesondere nach den verschiedenen Akteuren und ihren Handlungsoptionen aufdrängten. Solche und andere Fragen bildeten den Ausgangspunkt für die Gründung neuer eher international angelegter Periodika wie beispielsweise der ‚Histoire et Sociétés Rurales’ 1984 und der ‚Rural History’ 1989, während hingegen in Deutschland eine neue Zeitschrift nicht gegründet wurde. Stattdessen erhielt die ältere ‚Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie’ vergleichsweise erst spät 2003 einen interdisziplinären und internationalen Zuschnitt. Immerhin stand mit dem ‚Arbeitskreis für Agrargeschichte’ und seinen jährlichen Tagungen seit 1994 ein entsprechendes Forum im deutschsprachigen Raum zur Verfügung. Alle genannten Periodika zielen darauf ab, neuralgische Themen und Probleme der Agrargeschichte aufzugreifen und entsprechende Beobachtungen und Ergebnisse unter methodischen, theoretischen und konzeptionellen Gesichtspunkten eingehend und genauer zu diskutieren als in der älteren Agrargeschichte, zumal sich deren Vertreter zumeist nationalen und / oder regionalen Forschungstraditionen verpflichtet fühlten.
Im Rahmen dieses durchaus lebhaften und kontroversen Forschungsfeldes sind mittlerweile mehrere interdisziplinär und international angelegte Handbücher und Sammelbände vorgelegt worden, denen unterschiedliche Konzepte und Betrachtungsweisen mit spezifisch kulturanthropologischen, gesellschaftstheoretischen und nicht zuletzt wirtschaftswissenschaftlichen Zuschnitten zugrunde liegen. In dem Seminar sollen diese Unterschiede etwa anhand von Einleitungen und Resümees erschlossen und ihre Konsequenzen für die empirische Forschung an ausgewählten Themenfeldern, die in den Handbüchern behandelt werden, erörtert werden. Zu solchen Themenfeldern gehören Bevölkerung und Demographie, Gesellschafts- und Herrschaftsstrukturen, Familien- und Geschlechterverhältnisse, Arbeitsverfassung, Bodenbewirtschaftung, Tierhaltung, Marktverhältnisse sowie Klima- und Umweltbedingungen (Stichwort: Kleine Eiszeit), wobei u. a. auf ihre jeweilige Gewichtung in der Gesamtdarstellung zu achten ist. Zudem werden auch Unterschiede in der Argumentation und Vorgehensweise am Beispiel einschlägiger Fall- und Regionalstudien über Agrarwirtschaft und ländliche Gesellschaften in der Vormoderne und im 19. Jahrhundert in den Blick genommen.
Erik Thoen / Eric Vanhaute / Leen Van Molle / Yves Segers / Bas van Bavel (Ed.), Rural Economy and society in North-western Europe, 500-2000, 5 Vol., Turnhout 2010-2015; Erik Thoen / Eric Vanhaute / Erik Buyst / Leen van Molle (Ed.), Comparative Rural History of the North Sea Area, 12 Vol., Turnhout 1999-2006; Gérard Béaur / Rosa Congost / Anne Lise Head-König / Socrates Petmezas / Vicente Pinilla / Jürgen Schlumbohm / Bas van Bavel (Ed.), Rural History in Europe, 14 Vol., Turnhout, 2009-2016; Stefan Brakensiek / Rolf Kießling / Werner Troßbach / Clemens Zimmermann (Hrsg.), Grundzüge der Agrargeschichte, 3 Bde, Köln / Weimar / Wien 2016; Rita Gartsenauer / Erich Landsteiner / Ernst Langthaler (Hrsg.), Land-Arbeit. Arbeitsbeziehungen in ländlichen Gesellschaften Europas (17. bis 20. Jahrhundert), Innsbruck 2008; Frank Konersmann / Klaus-Joachim Lorenzen-Schmidt, Bauern als Händler. Ökonomische Diversifizierung und soziale Differenzierung bäuerlicher Agrarproduzenten (15.-19. Jahrhundert), Stuttgart 2006; Ernst Bruckmüller / Ernst Langthaler / Josef Redl (Hrsg.), Agrargeschichte schreiben, Innsbruck 2004; Reiner Prass / Jürgen Schlumbohm / Gérard Béaur / Christophe Duhamelle (Hrsg.), Ländliche Gesellschaften in Deutschland und Frankreich, 18.-19. Jahrhundert, Göttingen 2003; Karl Ditt / Rita Gudermann / Norwich Rüße (Hrsg.), Agrarmodernisierung und ökologische Folgen. Westfalen vom 18. bis zum 20. Jahrhundert, Paderborn 2001; Werner Troßbach / Clemens Zimmermann (Hrsg.), Agrargeschichte. Positionen und Perspektiven, Stuttgart 1998; André Holenstein, Bauern zwischen Bauernkrieg und Dreißigjährigem Krieg, München 1996; Werner Troßbach, Bauern, 1648-1806, München 1993; Werner Rösener, Agrarwirtschaft, Agrarverfassung und ländliche Gesellschaft im Mittelalter, München 1992; Walter Achilles, Landwirtschaft in der frühen Neuzeit, München 1991.
Rhythmus | Tag | Uhrzeit | Format / Ort | Zeitraum |
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Modul | Veranstaltung | Leistungen | |
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22-3.1 Hauptmodul Vormoderne
3.1.7 |
Historische Orientierung | Studieninformation | |
22-3.8 Wahlfreies Hauptmodul
3.1.7 |
Historische Orientierung | Studieninformation | |
25-FS-EM Einführungsmodul | E2: Einführende Veranstaltung aus den Fakultäten | Studieninformation | |
E3: Einführende Veranstaltung aus den Fakultäten | Studieninformation | ||
25-FS-GM Grundlagenmodul | E2: Einführende Veranstaltung aus den Fakultäten | Studieninformation | |
E3: Einführende Veranstaltung aus den Fakultäten | Studieninformation |
Die verbindlichen Modulbeschreibungen enthalten weitere Informationen, auch zu den "Leistungen" und ihren Anforderungen. Sind mehrere "Leistungsformen" möglich, entscheiden die jeweiligen Lehrenden darüber.
Zu dieser Veranstaltung existiert ein Lernraum im E-Learning System. Lehrende können dort Materialien zu dieser Lehrveranstaltung bereitstellen: