Vom Tod ins Leben. Retrogrades Erzählen in Literatur und Film (S)
Rückwärtserzählungen werden durch die Umkehr der zeitlichen Abfolge einer ‚Geschichte‘ charakterisiert. Solche Inversionen, die die Zeitlichkeit, aber auch die Kausalität betreffen können, kommen in Literatur und Film immer wieder zum Einsatz. Meist wird das Verfahren dort produktiv, wo der Chronologie oder mehr noch der Korrelation bestimmter Ereignisse misstraut wird und Raum für andere Lesarten der Zusammenhänge entstehen soll. Ein Beispiel hierfür ist Ilse Aichingers Spiegelgeschichte (1949), in der sich auf dem erzählten Weg vom Tod zurück ins Leben die Wirkungen vor die Ursachen schieben und zudem die daraus erfolgenden Konsequenzen miterzählt werden. Sich im Jahr 1949 in die Vergangenheit einer individuellen Geschichte zurückzufragen und die erzählte Zeit damit für eine unheilvolle Vergangenheit zu öffnen, hat wohl einen doppelten Bezug und zeitlichen Index. Rückwärtserzählen und Katastrophe scheinen hier sowohl über die Suche nach einem Drehpunkt der Ereignisse als auch nach den blinden Flecken innerhalb der Erzählung verbunden – grundsätzlicher formuliert, steht hier mit dem Rückwärtserzählen die Frage nach der ausgezeichneten Beziehung zwischen dem Menschen und der bzw. seiner Geschichte auf dem Spiel.
Anders als in der Literatur steht die filmische Rückwärtserzählung auch angesichts der Popularität solcher Experimente mitunter im Ruf, sich im bloßen Effekt zu erschöpfen. Doch bietet gerade der Film die Möglichkeit, den Vorgang des Rückwärts auf sein buchstäbliches oder metaphorisches Potenzial zu befragen. Deshalb werden in dem Seminar Filme bzw. Filmsequenzen einer genauen Prüfung unterzogen, um zu bestimmen, was es denn eigentlich ist, das sich im Rückwärtserzählen zurückbewegt: Ist es der narrative Prozess oder die Ordnung, in der die erzählten Ereignisse präsentiert werden? Sind es die Ereignisse der erzählten Geschichte oder gar das Medium selbst?
Das auf zwei Semester angelegte Seminar dient dazu, das Feld retrograden Erzählens zu sondieren und die Brisanz dieses anachronen Verfahrens genauer zu untersuchen. Im Mittelpunkt stehen Fragen nach Biographie und Chronologie, nach der Markierung von Zeitlichkeit, der Norm des Erzählens und dem Verhältnis zu Modellen der Schriftordnung wie dem in sich rückläufigen Palindrom oder dem Anagramm.
Ein starkes Interesse an Narratologie und Erzähltheorie ist Voraussetzung zur Teilnahme!
Zur Einführung empfohlen:
Matthias Brütsch: “When the Past Lies Ahead and the Future Lags Behind. Backward Narration in Film, Television, and Literature”, in: Julia Eckel u.a. (Hg.): (Dis)Orientating Media and Narrative Mazes, Bielefeld 2013, S. 293–312.
Rhythmus | Tag | Uhrzeit | Format / Ort | Zeitraum |
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Modul | Veranstaltung | Leistungen | |
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23-LIT-M-LitINT Intensivierung | Profilmodul Lehrveranstaltung 1 | Studienleistung
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Profilmodul Lehrveranstaltung 2 | Studienleistung
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23-LIT-M-LitPM3 Profilmodul III: Literatur und Medien | Lehrveranstaltung 1 | benotete Prüfungsleistung
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Lehrveranstaltung 2 | Studienleistung
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23-MeWi-HM1 Medien, Sprache und Kultur | Lehrveranstaltung I | benotete Prüfungsleistung
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Studieninformation |
Lehrveranstaltung II | Studienleistung
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Lehrveranstaltung III | Studienleistung
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Lehrveranstaltung IV | Studienleistung
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Studieninformation |
Die verbindlichen Modulbeschreibungen enthalten weitere Informationen, auch zu den "Leistungen" und ihren Anforderungen. Sind mehrere "Leistungsformen" möglich, entscheiden die jeweiligen Lehrenden darüber.
Regelmäßige Vorbereitung und aktive Teilnahme an der Veranstaltung, Hausarbeit (plus Referat).
Zu dieser Veranstaltung existiert ein Lernraum im E-Learning System. Lehrende können dort Materialien zu dieser Lehrveranstaltung bereitstellen: