300124 Gierige Institutionen revisited (Organisationssoziologische Lese- und Schreibwerkstatt) (S) (WiSe 2015/2016)

Contents, comment

Das Konzept der „gierigen Institution“ ist mittlerweile ein soziologischer Klassiker. Lewis A. Coser, der den Begriff in den 1960er und 1970er Jahren mithilfe zahlreicher empirischer Studien geprägt hat, adressiert damit im Kern Formen totalen Engagements in „organisierten Gruppen“. Gemeint ist, dass ein Individuum seine Energien nahezu ausschließlich für die Teilnahme an nur einem einzigen sozialen Kreis aufwendet. Das ist soziologisch erstaunlich, findet dieses Engagement doch in einem gesellschaftlichen Kontext statt, in dem sich die Zahl sozialer Kreise, an denen jemand teilnehmen könnte, gegenüber früheren Zeiten vervielfacht hat bzw. weiter vervielfacht.

Das Problem mit Klassikern ist, dass jeder sie kennt, sie aber im Grunde nicht mehr gelesen werden – geschweige denn forschungsleitend sind. Man darf Hoffnung haben, dass es sich bei Cosers „gierigen Institutionen“ anders verhält, da es im Jahr 2015 erstmals in deutscher Übersetzung erschienen ist. Gleichwohl stellt sich die Frage nach der Aktualität des Konzepts, zumal Coser in erster Linie historische, heute nicht mehr in dieser Form existente Phänomene analysiert hat. Marianne Egger de Campo (Übersetzerin und Herausgeberin der deutschen Fassung) argumentiert eindrücklich, dass das Konzept wie gemacht ist, um die sozialen Beziehungen von Technologie- und Internetkonzernen zu ihren Mitarbeitenden und Nutzenden zu beschreiben und zu erklären. Aber ist es nicht auch wie gemacht, um z.B. die weite Verbreitung schlecht bezahlter Praktika oder die bemerkenswerten Rekrutierungserfolge des Islamischen Staats unter ‚westlichen‘ Jugendlichen zu analysieren? Das werden wir diskutieren.

Geplante Themen sind:
— Freiwilligkeit, totales Engagement und Zwang – Die drei zentralen Elemente des Konzepts „gierige Institution“
— Wie lässt sich die „Gier“ bestimmter Institutionen soziologisch erklären?
— Überschneidungen und Differenzen zwischen den Konzepten „gierige Institution“ einerseits, „totale Institution“ (Erving Goffman) und „Zwangsorganisationen“ (Stefan Kühl) andererseits
— Ausgewählte empirische Fallstudien von Coser
— Auf welchen Gegenstandsbereich beschränkt sich das Konzept „gierige Institution“?
— Wie aktuell ist das Konzept „gierige Institution“?
— Welche aktuellen sozialen Ereignisse und Vorgänge könnte man mit dem Konzept „gierige Institution“ soziologisch erklären? (Entwicklung eigener Fallstudien für Haus- und Bachelorarbeiten)

Didaktisch ist das Seminar als Lese- und Schreibwerkstatt angelegt. Es basiert zum einen auf der intensiven Lektüre von ausgewählten Kapiteln des Buchs „Gierige Institutionen“ sowie von ergänzender Seminarliteratur. Dabei wird es auch darum gehen, Lesestrategien zu lernen und weiterentwickeln, wie man sich gezielt, gewinnbringend und ergebnisorientiert mit wissenschaftlichen Texten auseinandersetzt, um auf ihrer Basis ‚total engagiert‘ an der Seminardiskussion teilzunehmen. Zum anderen werden Sie sich immer wieder ‚schreibend‘ mit dem Seminarthema und der Seminarlektüre auseinandersetzen. Dadurch haben sie in erster Linie die Gelegenheit, weitmöglich eigene Haus- und Abschlussarbeiten vorzubereiten und bereits in ersten Ansätzen durchzuführen, die das Konzept „gierige Institution“ nutzen. Auch hier lernen sie Strategien. Diese sollen es ihnen ermöglichen, eine bearbeitbare Fragestellung zu entwickeln, sich inhaltlich zu fokussieren und ein überzeugendes Argument zu formulieren.

Wer sich - aus welchen Gründen auch immer - nicht imstande sieht, sich intensiv mit der Seminarlektüre auseinanderzusetzen und in regelmäßigen Abständen etwas für das Seminar zu schreiben, ist in dieser Veranstaltung falsch.

Requirements for participation, required level

Notwendige Teilnahmevoraussetzungen
— Erfolgreiche Teilnahme an Einführungsveranstaltungen zur Soziologie
— Bereitschaft, sich mithilfe der im Seminarplan angegebenen Lektüre intensiv auf die einzelnen Sitzungen vorzubereiten
— Diskussionsfreude
— Aufgeschlossenheit für die Argumente anderer

Empfohlene Vorkenntnisse
— Erfolgreiche Teilnahme an Einführungsveranstaltungen zur Organisationssoziologie
— Argumentationstheoretische Grundkenntnisse
— Geschichtskenntnisse
— Regelmäßige Zeitungslektüre (oder Nutzung äquivalenter Quellen, um über aktuelles Zeitgeschehen informiert zu sein)

Bibliography

Coser, L.A., 2015: Gierige Institutionen. Soziologische Studien über totales Engagement. Berlin: Suhrkamp. (Amerik. Original: Coser, L.A., 1974: Greedy Institutions. Patterns of Undivided Commitment. New York: Macmillan.)

Einen guten Einstieg bietet:
Schönberger, D., 2015: Rezension: Coser, Lewis A. (1974): Greedy Instiutions. S. 198–202 in: S. Kühl (Hrsg.), Schlüsselwerke der Organisationsforschung. Wiesbaden: Springer VS. (http://link.springer.com/book/10.1007/978-3-658-09068-5)

Teaching staff

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Subject assignments

Module Course Requirements  
30-M23 Fachmodul Organisation I Seminar 1 (z. B. Grundlagen der Organisationssoziologie) Study requirement
Student information
Seminar 2 Study requirement
Student information
- Graded examination Student information
30-M32 Fachmodul Organisation II (erweitert) Problemfeldanalyse oder Vertiefungsseminar Study requirement
Student information
Vertiefungsseminar Study requirement
Student information
- Graded examination Student information

The binding module descriptions contain further information, including specifications on the "types of assignments" students need to complete. In cases where a module description mentions more than one kind of assignment, the respective member of the teaching staff will decide which task(s) they assign the students.

Degree programme/academic programme Validity Variant Subdivision Status Semester LP  
Sozialwissenschaften GymGe als zweites Unterrichtsfach / Master of Education (Enrollment until SoSe 2014) Fachmodul (FM) Org   4 (bei Einzelleistung 2 LP zusätzlich)  

Wer sich nicht imstande sieht, sich intensiv mit der Seminarlektüre auseinanderzusetzen und in regelmäßigen Abständen etwas für das Seminar zu schreiben, ist in dieser Veranstaltung falsch.

Bitte beachten Sie: Falls Sie in der ersten Sitzung nicht anwesend sind, können Sie nicht mehr am Seminar teilnehmen - es sei denn, Sie melden sich vorher mit gutem Grund ab.

Für die Bescheinigung der aktiven Teilnahme bzw. einer Studienleistung
— Regelmäßige körperliche und geistige Anwesenheit, aktive Beteiligung an der Seminardiskussion
— Lektüre der erforderlichen Literatur zu jeder Sitzung
— Memos zu mindestens fünf Texten, die für die Sitzungen vorbereitet werden müssen

Zusätzlich für eine benotete Einzelleistung
Sie verfassen eine Hausarbeit zu einer Frage, die wir im Rahmen des Seminars diskutieren bzw. die einen Seminarbezug hat. Ihre Texte sollten problemorientiert, anschaulich und argumentativ sein. Wählen Sie Ihre Frage sehr bewusst – eine gute Frage wird Sie beim Schreiben inspirieren. Ich unterstütze Sie gerne bei der Themenfindung und der Erarbeitung Ihres Texts. Sprechen Sie mich dazu ruhig an.
Ein Wort zum Umfang: Sie werden es schwer haben, etwas Substantielles in weniger als 4.000 Wörtern auszudrücken. Falls Sie demgegenüber 8.000 Wörter überschreiten, werden Sie selbst den aufgeschlossensten Leser langweilen.

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If the reference number is used for several courses in the course of the semester, use the following alternative address to reach the participants of exactly this: VST_61530969@ekvv.uni-bielefeld.de
Coverage:
10 Students to be reached directly via email
Notes:
Additional notes on the electronic mailing lists
Last update basic details/teaching staff:
Friday, December 11, 2015 
Last update times:
Wednesday, October 21, 2015 
Last update rooms:
Wednesday, October 21, 2015 
Type(s) / SWS (hours per week per semester)
S / 2
Department
Faculty of Sociology
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