230232 Der Antikenfilm im 21. Jahrhundert (S) (WiSe 2014/2015)

Inhalt, Kommentar

Oliver Stones Film ALEXANDER, in den USA 2004 uraufgeführt, betreibt eine höchst eigentümliche Vermischung von Historiografie und Mythos, die selbst für Mythostheoretiker interessant sein kann. Gemeint sind hier nicht die üblichen Verfälschungen geschichtlicher Abläufe oder einzelner Charaktermerkmale der agierenden Figuren aus rein dramaturgischen Gründen, sondern das Bedingungsverhältnis von Mythos und Historiografie selbst. Stone kehrt die alte Forderung Nestlés, Vom Mythos zum Logos im Sinne einer vernunftorientierten Aufklärung fortzuschreiten, gleichsam um, indem er die Bestätigung der historischen Legende als Einlösung mythischer Prophezeiungen entwirft. Der Film ALEXANDER versucht gerade nicht, die Mythisierung des historischen Makedonenkönigs über die eigene Legendenbildung zu betreiben, sondern sieht ihn als Verwirklichung der alten Heroengeschichten – so, als sei jetzt erst bestätigt worden und für die Nachwelt festgehalten, was aus dem Sagenkreis um Herakles berichtet wird, oder als sei Achills Schicksal, das die Illias zu eindrücklich entwirft, erfüllt worden durch den größeren Götterliebling, der, anders als die rein auf orale Traditionen rekurrierenden Rhapsoden, zu denen man gegebenenfalls noch Homer rechnen muss, nun auf das Gedächtnismedium der Schrift rekurrieren konnte, um seine Taten verewigt zu sehen. Mit ähnlicher Intention wird «das einzigartige historische Abenteuerspektakel» KING ARTHUR (USA/IR 2004) beworben, das unmittelbar «[n]ach dem Zerfall des Römischen Reiches» in England angesiedelt ist. Erneut ist Freiheit die zentrale Idee und Legitimationsstruktur für ein exzessives Gemetzel – dem der Gedanke der Gleichheit, symbolisiert in der egalitären Tafelrunde, hinzugefügt wurde und dabei keine Friktionen mit dem Führerprinzip zu erleiden scheint. Und auch das, man muss schon staunen, wird als historische Wahrheit vermarktet. Versuchen ALEXANDER und KING ARTHUR den Hergang der Geschichte frei vom Mythos zu halten, ihre Helden aber als Einlösung mythischer Prophetie des einenden guten Königs zu entwerfen, so geht TROJA, TROY, 2004 in die Kinos gekommen (USA, Malta, UK) unter der Regie von Wolfgang Petersen, vom mythischen Stoff selbst aus, der freilich entmythisiert erzählt wird. Thetis, als Mutter des Achilles tritt auf; sie ist aber nicht die unsterbliche, sondern eine entsprechend dem Alter ihres Sohnes selbst gealterte Frau, die zwar das Unheil kommen sieht, Achills Entschluss zu Ruhm und frühem Tod aber dennoch gutzuheißen scheint. Paris ist ein Partylöwe, der Helena während eines Friedensgastmahls beim Griechenfürsten Menelaos verführt und anschließend mit nach Griechenland nimmt. Kein Parisurteil gibt ihm die dazu erforderliche Legitimation. Die Götter halten sich, ganz anders als bei Homer, aus dem nun folgenden Krieg der vereinten Griechen unter der Anführung Agamemnons heraus, ja sie haben nicht einmal einen Ort in der Narration als passiv Angebetete. Heroisierung als Ent- und Remythisierung ist auch das Muster von Ridley Scotts Film GLADIATOR, der im Jahr 2000 (UK, USA) den Antikenfilm im Alleingang neu begründen konnte. Die Geschichte, die uns Scott erzählt, greift die historischen Gestalten des Kaisers Marc Aurel und seines Sohnes Commodus auf, der ihm auf dem Thron folgte, verändert aber deren Beziehung zueinander entscheidend. Nun wäre es unfair, dem Film die mangelnde historische Treue vorzuhalten. Die Königsdramen Shakespeares oder gar seine Stücke nach der Antike sähen bei diesem Vergleich ebenfalls nicht gut aus. Nein, es geht um die jeweilige Anbindung an den Zeitdiskurs und seine Verflechtung mit der Popkultur, auf die wir im Seminar ausführlicher zu sprechen kommen wollen, die diesen Vergleich interessant werden lassen. Das gilt auch für zahlreiche weitere Filme wie etwa 300, der Film von Zack Snyder aus dem Jahr 2007 (USA) oder für die Remythisierung im Genremix bei CLASH OF THE TITANS.

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Modul Veranstaltung Leistungen  
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Veranstaltung 2 Studienleistung
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23-LIT-M-LitPM3 Profilmodul III: Literatur und Medien Lehrveranstaltung 1 benotete Prüfungsleistung
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Lehrveranstaltung 2 Studienleistung
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23-MeWi-HM1 Medien, Sprache und Kultur Lehrveranstaltung I benotete Prüfungsleistung
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Lehrveranstaltung II Studienleistung
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Lehrveranstaltung III Studienleistung
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Lehrveranstaltung IV Studienleistung
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30-MeWi-HM4 Methoden der Medienforschung Lehrveranstaltung I benotete Prüfungsleistung
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Lehrveranstaltung II Studienleistung
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Lehrveranstaltung III Studienleistung
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Die verbindlichen Modulbeschreibungen enthalten weitere Informationen, auch zu den "Leistungen" und ihren Anforderungen. Sind mehrere "Leistungsformen" möglich, entscheiden die jeweiligen Lehrenden darüber.

Studiengang/-angebot Gültigkeit Variante Untergliederung Status Sem. LP  
Germanistik / Master of Education (Einschreibung bis SoSe 2014) BaGerP2G   2/5  
Literaturwissenschaft / Master (Einschreibung bis SoSe 2012) MaLit5c    
Medienwissenschaft, interdisziplinäre / Master (Einschreibung bis SoSe 2014) Hauptmodul 5; Hauptmodul 1 Wahlpflicht 1. 3. 3  

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Letzte Änderung Grunddaten/Lehrende:
Freitag, 11. Dezember 2015 
Letzte Änderung Zeiten:
Donnerstag, 18. September 2014 
Letzte Änderung Räume:
Donnerstag, 18. September 2014 
Art(en) / SWS
S / 2
Einrichtung
Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft
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48281771