230137 Medienästhetik 1b - Bildmedien vor dem Film (Ü) (SoSe 2014)

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Nachfolgend der für Seminar wie Übung gleichlautende Kommentar.

Schon vor dem Film versuchen Bildmedien, den Rezipienten einzubinden und zu konditionieren durch Techniken der Zuschauerlenkung. Von Anfang an erzählen Bilder Geschichten: in den Höhlen von Lascaux, in Ägypten, etwa im Tempel der Hatschepsut, oder im griechisch-italienischen Paestum, – noch in der gewohnten Bedeutungsperspektive. Seit der Renaissance erst haben Parallelen einen gemeinsamen Fluchtpunkt, entwerfen die Künstler den planen Durchschnitt durch die „Sehpyramide“ und suggerieren so einen völlig rationalen, unendlich stetigen und homogenen Raum. Dieser „mathematische“ Raum allerdings ist dem psycho-physiologischen quasi entgegen gesetzt. Erst dadurch werden Spiele mit der dritten Dimension denkbar: Unmögliche Räume, in denen ein Betrachter sich verliert. Auch deshalb ist der Raum der Renaissance ein überkorrekter, der dem Wahrnehmungsraum nicht entsprechen kann.
Die Camera Obscura ist das erste Bildmedium, das nicht nur räumliche, sondern auch zeitliche Kontinuität reproduzieren konnte – wenn auch nur flüchtig. Das Prinzip der „dunklen Kammer“ hält erstmals ein von der Wirklichkeit gelöstes und zugleich indexikalisch auf ihr beruhendes Bild der Realität bereit, das sogar abgezeichnet, allerdings nie zeitlich als Folge bewegter Bilder fixiert werden konnte. Das gelingt erst mit der Fotografie, die dauerhaft aufzeichnet, was die Camera Obscura flüchtig einfängt. Aber ihr Betrachter fühlt sich bereits als Meister im Zugriff auf „das Reale“. Die Laterna Magica kehrt den Effekt um, macht mit der Projektion das Bild jederzeit verfügbar – und auch einen Wechsel einzelner Bilder bereits möglich. So entstehen erste Traumwelten, die häufig Motive des Exotismus aufgreifen, um Zuschauer affektiv zu binden. Projektionen auf Nebel erhöhen die Wirkung, eine geschickte Dramaturgie und ausreichend Diapositive verleihen großen Inszenierungen mit diesem Medium bereits die Wirkung spiritistischer Séancen.
Auch Panoramen produzieren die Angstlust des Augenschwindels. Die eigens errichteten Rotunden, die einen Rundumblick von 360° bieten, zeigen Großgemälde. Grandiose Landschaften und exotische Schauplätze wechselten sich ab mit allegorischen Erzählungen, Schlachtengemälden, aktuellen Stadtansichten oder historische Rekonstruktionen. Das Panorama gleicht einem Paradoxon: Ein begrenzter Raum sollte eine von allen irdischen Begrenzungen freie Darstellung erlauben. Es ist eine spannende Frage, ob diese Ambiguität von Verfügungsgewalt einerseits und Überwältigung andererseits möglicherweise den ungesicherten Beobachter produziert hat als Resultat gewandelter Wahrnehmungsprozesse.
Zoetrope, Phenakistiskope, Tachyskope – kurz alle Arten von Lebensrädern – bringen den letzten Baustein für die Bildrepräsentation vor dem Film bei. Die Lebensräder erzeugen Bewegung – und können sie jederzeit reproduzieren als Folge von Einzelbildern, die durch Drehung einerseits und einen Sehschlitz andererseits synthetisiert werden zum Fluss des Geschehens. Chronofotografien haben seit 1878 unser Wissen von Bewegungsabläufen bei Tieren revolutioniert. Wir sehen jetzt, wofür unser Auge zu langsam war: Wie sich beim Galopp eines Pferdes alle vier Hufe vom Boden lösen. Studien zur menschlichen Bewegung haben unser anatomisches Verständnis verbessert – und noch die Malerei beeinflusst. Auch hier gewinnt der Betrachter Souveränität, die mediale Stützung erschließt neue Welten des Begreifens. Zugleich aber bleibt eine tiefe Irritation zurück, dass die Dinge, die wir mit unbewaffnetem Auge sehen, nur einen Teilabschnitt der Realität vorstellen, wir also immer wieder auf mediale Vermittlung angewiesen sind.

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Literatur wird über Stud-IP zur Verfügung gestellt.

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23-MeWi-HM1 Medien, Sprache und Kultur Lehrveranstaltung I Graded examination
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Degree programme/academic programme Validity Variant Subdivision Status Semester LP  
Medienwissenschaft, interdisziplinäre / Master (Enrollment until SoSe 2014) Hauptmodul 1 Wahlpflicht 3  

Vertiefende Übung, die das Seminar (Do., 16.00 – 18.00 Uhr) durch Beispiele ergänzt, welche den Stoff plastisch erläutern. Außerdem bietet die Übung mehr Raum zur Diskussion.

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