220080 Ordnung und Ungleichheit: Die ständische Gesellschaft (S) (WiSe 2016/2017)

Die Gesellschaften des frühneuzeitlichen Europas waren fundamental durch eine Logik der Ungleichheit geprägt: Verschiedenen Ständen kamen unterschiedliche Rechte und Pflichten zu, man wahrte die Ehre seines Standes, kleidete und verheiratete sich „standesgemäß“ – oder skandalöserweise gerade nicht. Nahezu alle Bereiche des Lebens konnten durch ständische Unterschiede strukturiert werden: von alltäglicher Kleidung und Sitzordnung beim Gottesdienst über politische Partizipationsmöglichkeiten und Rechtsprechung bis hin zu Hinrichtungen und Begräbnissen.

Im Seminar wollen wir zunächst klären, was „ständische Gesellschaft“ im Forschungsdiskurs bedeutet, und verschiedene Konzepte und Theorien zu ihrer Erschließung diskutieren. Dabei wird es auch darum gehen, die Rolle von "ständischer Gesellschaft" in gängigen Narrativen über die Genese der Moderne zu reflektieren.
Anschließend setzen wir uns mit Ordnungsentwürfen und Wertvorstellungen der Zeitgenossen auseinander und untersuchen exemplarisch Lebenswelten und Distinktionspraktiken. Ein Fokus soll dabei auf der Frage nach Dynamiken und Wandlungsprozessen innerhalb der ständischen Gesellschaft liegen; hier nehmen wir Präzedenzstreitigkeiten und Nobilitierungen ebenso in den Blick wie konkurrierende Ordnungsentwürfe und das Aufkommen neuer Formen des Wirtschaftens.

Literaturangaben

Marian Füssel/Thomas Weller (Hrsg.), Soziale Ungleichheit und ständische Gesellschaft (Zeitsprünge, Bd. 15/1), Frankfurt am Main 2011
Winfried Schulze (Hrsg.), Ständische Gesellschaft und soziale Mobilität (Schriften des Historischen Kollegs: Kolloquien, Bd. 12), München 1988
Paul Münch, Lebensformen in der frühen Neuzeit 1500-1800, Berlin 1998