Kann es eine Antidiskriminierungspädagogik und Rassismuskritik geben, die auf die Benennung von Diskriminierungsmerkmalen und -kategorien wie Geschlecht, Herkunft oder Hautfarbe verzichtet? Lässt sich Diskriminierungskritik von Gruppen und Zugehörigkeiten loslösen und so die Gefahr von Essentialisierungen, Verdinglichungen und Homogenisierung durch kategoriale Zuordnungen bannen?
Ein Weg, der derzeit im Antidiskriminierungsrecht kontrovers diskutiert wird und als postkategorial bezeichnet werden kann, besteht darin, Kategorien nicht mehr auf Gruppen und Kollektive zu beziehen, sondern auf Prozesse und Praxen. Ziel wäre es, gegen Rassismus oder Sexismus rechtlich vorgehen zu können, ohne dass die betroffenen Menschen nachweisen müssen, dass sie benachteiligt wurden, weil sie eine bestimmte Religion, Herkunft oder sexuelle Identität haben. Statt einen Zugehörigkeitsnachweis zu erbringen, ginge es dann vielmehr darum zu zeigen, dass sie innerhalb eines Macht- und Herrschaftssystems Prozessen von Rassifizierung, Vergeschlechtlichung oder Ableism ausgesetzt sind. Entscheidend für die Einordnung eines Diskriminierungsfalles wären dann nicht mehr Merkmale, Eigenschaften oder Identitäten der Betroffenen, sondern der Diskriminierungsprozess selbst, durch den Menschen rassistisch, sexistisch, klassistisch, etc. eingeordnet, klassifiziert und sortiert werden. Aus dem Recht, dass niemanden aufgrund seiner „Rasse“ diskriminiert werden darf, würde beispielsweise das Recht, gegen Rassismus geschützt zu sein.
Postkategoriale Ansätze sind aber keineswegs anti- oder nonkategorial. Ihnen geht es nicht darum Diskriminierungskategorien als kritische Differenz-, Benennungs- und Analysebegriffe einfach aufzugeben. Vielmehr sollen die Referenzkategorien nicht Gruppen und Zugehörigkeiten adressieren, sondern ungleichheitserzeugende Konstruktionsprozesse sichtbar machen.
Können postkategoriale Zugänge auch für eine Antidiskriminierungspädagogik nutzbar gemacht werden? Auf Basis einer kritischen Auseinandersetzung mit identitätspolitisch ausgerichteten Antidiskriminierungs- und Antirassismuskonzepten soll dieser Frage im Seminar nachgegangen werden. Was würde es für eine interkulturelle Pädagogik und eine rassismuskritische Migrationspädagogik bedeuten, wenn beispielsweise die Begriffe „Schwarz“ und „weiß“ als gruppenbezogene Kategorien aufgegeben würden? Können wir auf diese überhaupt verzichten, wenn es darum geht, Schwarzsein als identitätsstiftende und empowernde Selbstbezeichnung oder Weißsein als unhinterfragte und hegemoniale Norm zu adressieren?
Bei allen Problemen, die eine postkategoriale Antidiskriminierungspädagogik mit sich bringt, hat sie auch viele Vorteile. So kann sie dabei helfen, die verbreiteten kulturalistischen Wissensbestände und ethnisierenden Beobachtungsschemata von Pädagog*innen einer kritischen Reflexion zugänglich zu machen. Für Bildung und Pädagogik so wichtige Kompetenzen wie Kritik und Solidarität sind in einem postkategorialen Rahmen nicht auf gemeinsame Erfahrungshorizonte, Betroffenheit oder Sprecher*innenpositionen beschränkt. Stattdessen kann Kritik gegenüber allen Menschen artikuliert und Solidarität mit allen Individuen erklärt werden. Entscheidend dabei ist, diese nicht auf eine Gruppenzugehörigkeit zu reduzieren, sondern sie als in vielschichtige Macht- und Herrschaftsverhältnissen verstrickte Subjekte ernst zu nehmen. Innerhalb eines postkategorialen Theorierahmens ist es womöglich auch einfacher, intersektionale Diskriminierungen und die Mehrdimensionalität von Ungleichwertigkeitsideologien zu berücksichtigen, da identitätspolitisch-kategoriale Konzepte oft nur eine einzige Ausgrenzungs- und Diskriminierungsdimension zur Geltung bringen. Eine postkategoriale Rassismuskritik könnte die Fallstricke des identitätspolitischen Antirassismus umgehen und die Pluralität von Rassismen und Privilegien sichtbar machen, die nicht in einfachen binären Konzepten von "weiß" und "schwarz" aufgehen.
Perspektivisch wird die Annäherung an eine diskriminierungsfreie Gesellschaft wohl nur gelingen, wenn wir es schaffen, Menschen nicht mehr primär als Repräsentant*innen einer Zugehörigkeit oder Identität wie „Rasse“, Klasse oder Geschlecht zu sehen, sondern deren Identität als komplexes und dynamisches Zusammenspiel von strukturell-institutionellen Prägungen, individuellen Eigenschaften und gesellschaftlichen Machtverhältnissen zu begreifen.
Master of Arts: Voraussetzung ist die Einschreibung im Master of Arts Erziehungswissenschaft im SoSe 2022
M.Ed. UFP: Voraussetzung ist die Einschreibung im Master of Education, Unterrichtsfach Pädagogik im SoSe 2022
Werden im Seminar bekannt gegeben.
Rhythmus | Tag | Uhrzeit | Format / Ort | Zeitraum |
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Modul | Veranstaltung | Leistungen | |
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25-ME-A4 Inhaltliche Fokussierung | E1: Inhaltliche Fokussierung 1 | Studienleistung
unbenotete Prüfungsleistung benotete Prüfungsleistung |
Studieninformation |
E2: Inhaltliche Fokussierung 2 | Studienleistung
unbenotete Prüfungsleistung benotete Prüfungsleistung |
Studieninformation | |
25-ME-B4 Inhaltliche Fokussierung | E1: Inhaltliche Fokussierung 1 | Studienleistung
unbenotete Prüfungsleistung benotete Prüfungsleistung |
Studieninformation |
E2: Inhaltliche Fokussierung 2 | Studienleistung
unbenotete Prüfungsleistung benotete Prüfungsleistung |
Studieninformation | |
25-ME-C2 Ausgewählte Felder der Migrationspädagogik, Civic- and International Education | E1: Migrationspädagogik and International Education | Studienleistung
unbenotete Prüfungsleistung benotete Prüfungsleistung |
Studieninformation |
25-ME-C4 Inhaltliche Fokussierung | E1: Inhaltliche Fokussierung 1 | Studienleistung
unbenotete Prüfungsleistung benotete Prüfungsleistung |
Studieninformation |
E2: Inhaltliche Fokussierung 2 | Studienleistung
unbenotete Prüfungsleistung benotete Prüfungsleistung |
Studieninformation | |
25-ME3 Forschungsprojekt | E1: Thematische Einführung | Studienleistung
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Studieninformation |
25-ME3-IT Forschungsprojekt | E1: Thematische Einführung | Studienleistung
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25-UFP6-C Fachbezogene Vertiefung: Migrationspädagogik, Civic- and International Education | E1: Migrationspädagogik and International Education | Studienleistung
unbenotete Prüfungsleistung |
Studieninformation |
30-MGS-3_ver1 Hauptmodul 2: Sozialisation und Bildung | Seminar 1 | Studienleistung
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Studieninformation |
Seminar 2 | Studienleistung
benotete Prüfungsleistung |
Studieninformation |
Die verbindlichen Modulbeschreibungen enthalten weitere Informationen, auch zu den "Leistungen" und ihren Anforderungen. Sind mehrere "Leistungsformen" möglich, entscheiden die jeweiligen Lehrenden darüber.
Mögliche Prüfungsleitungen: Referate und Hausarbeiten