In der modernen Gesellschaft sind internationale Nichtregierungsorganisationen wichtige Komponenten der Globalisierung. Viele Beobachter interpretieren etwa die Vereinten Nationen als eine Art Quasi-Staat der Weltgesellschaft. Die UN und andere INGOs intervenieren in vielen Hinsichten in Strukturen der modernen Weltgesellschaft. Eine dieser Interventionen besteht in staatserhaltenden und friedenssichernden Missionen (Somalia, Afghanistan). In der Veranstaltung werden die Widersprüche und Paradoxien diskutiert, die entstehen, wenn Organisationen in Systeme intervenieren, die einen Anspruch auf (staatliche, ethnische, politische usw.) Selbstbestimmung reklamieren und/oder diesem Anspruch Nachdruck verleihen können. Es geht dabei nicht nur um dysfunktionale Nebeneffekte von bürokratischen Organisationen, die in nicht-bürokratische Systeme (Stämme, Ethnien usw.) intervenieren (Martha Finnemore). Wichtiger noch sind die destruktiven Effekte von Vergleichen (als Kultur: Niklas Luhmann) durch bürokratische Organisationen selbst. Wie muslimische Immigranten in Europa, werden die Sozialordnungen in „failed states“ einer Routine des Vergleichs mit dem Typus des liberalen Regimes (Markt und/oder demokratischer Staat) unterworfen. Dieser Typus fungiert als globale Norm, an die sich gestörte Sozialordnungen – und assoziierte Identitäten – anpassen sollen. Es ist dieser Vergleich mit einer Art idealen Struktur oder normativen Ordnung (liberale Regime), der die verglichenen Identitäten ebenso wie die zugrundeliegenden Strukturen abwertet. Diese Abwertung etabliert sich selbst durch organisierte Routineoperationen (Schemata) im Kontext militärischer, administrativer, wirtschaftlicher und politischer Ziele und wird gestützt durch die kognitiven Aktivitäten des Vergleichens. In der Veranstaltung interessieren Formen des Widerstandes – wie Kooptation, Korruption, Infiltration, Aufstände und Terrorismus – gegen diesen Vergleichsdruck.
Während der Neo-Institutionalismus dazu tendiert, diese Reaktionen zu marginalisieren (John Boli), wird ein Vergleichsregime mit einer eingebauten Priorität für liberale Strukturen unterstellt, das strukturell – also nicht marginal – mit paradoxen Effekten konfrontiert ist. Z.B. können friedenssichernde Truppen sich gezwungen sehen, mit dem „Feind“ zu kooperieren (Roland Paris) oder „korrupte“ Verwaltungsstrukturen zu tolerieren (Fred W. Riggs).
Der Effekt des Eingebautseins dieser Priorität ist, dass die Unterscheidung zwischen Ideal und Abweichung latent bleibt – hinter drängenden praktischen Problemen „verschwindet“. Dieser Effekt führt zu einer Latenz des Abwertungsdruckes der Unterscheidung. Andererseits macht Widerstand diese Effekte manifest und reduziert die Implizitheit des liberalen Regimes. Es handelt sich dabei um identitätsgestützten Widerstand (Mary Kaldor) – nicht schlicht um wirtschaftliche oder politische Gier. Obwohl auch dies natürlich vorkommt. Vermeiden lassen sich solche Reaktionen durch die Mobilisierung von Alternativen zu rigiden liberalen Voreinstellungen und durch das Tolerieren von Abweichungen von diesen Voreinstellungen (Timothy Sisk). Dass die Nato inzwischen mit Vertretern der Taliban (Afghanistan) politische Konfliktlösungen aushandelt, ist ein drastisches Beispiel für die Thematik der Veranstaltung.
Barnett, M.N./Finnemore, M., 1999: The Politics, Power, and Pathologies of International Organizations, in: International Organization 53: 699-732
Rhythmus | Tag | Uhrzeit | Format / Ort | Zeitraum | |
---|---|---|---|---|---|
wöchentlich | Mi | 14-16 | U4-211 | 10.10.2011-03.02.2012
nicht am: 28.12.11 / 04.01.12 |
Verstecke vergangene Termine <<
Studiengang/-angebot | Gültigkeit | Variante | Untergliederung | Status | Sem. | LP | |
---|---|---|---|---|---|---|---|
Politische Kommunikation / Master | (Einschreibung bis SoSe 2013) | 3.1 | Wahlpflicht | ||||
Soziologie / Diplom | (Einschreibung bis SoSe 2005) | 2.4.1 | HS | ||||
Soziologie / Master | (Einschreibung bis SoSe 2012) | Modul 4.3 |