231164 Der Essay: Literaturgeschichte, Theorie, Form (S) (WiSe 2022/2023)

Inhalt, Kommentar

Ein Essay, schreibt Susan Sontag, “is not an article, nor a meditation, nor a book review, nor a memoir, nor a disquisition, nor a diatribe, nor a shaggy dog story, nor a monologue, nor a travel narrative, nor a suit of aphorisms, nor an elegy, nor a piece of reportage, nor a – but can be any or several of the above.” (Sontag 1992, xiii).
Die Vielgestaltigkeit des Essays, die Sontag hier antithetisch ausdrückt, und die Tatsache, dass der Essay sowohl der Philosophie als auch der Literatur zuzuschlagen ist, haben ihm den Ruf eingebracht, dass sein einziges konstitutives Merkmal sei, sich Definitionsversuchen immer wieder zu entziehen. Unstrittig gilt in der literaturwissenschaftlichen Essayforschung hingegen, dass Michel de Montaigne (1533-1592) den Essay als Gattung ‚erfunden‘ hat. Die Essais (publiziert 1580-90) entstehen in einer Zeit, in welcher traditionelles, autoritäres Wissen zu erodieren beginnt. Statt sich auf etabliertes Wissen zu stützen, nutzt Montaigne seine Erfahrung als Grundlage von Wissensbildung. Gerade in diesem Rekurs auf Erfahrung ist der Essay eine Form, in der Essayist:innen seit seinen Anfängen um 1600 bis heute Kritik artikulieren: an autoritärem Wissen, an denjenigen, die dieses Wissen zur Legitimierung von Herrschaft brauchen und an den Ordnungskategorien, die soziale Hierarchien als ‚natürliche‘ Ordnung erscheinen lassen. Mit seiner Privilegierung von Erfahrung und seiner Nähe zur Kritik wird der Essay im 19. und 20. Jahrhundert auch und gerade für feministische, antikoloniale und kapitalismuskritische Autor:innen eine wichtige Ausdrucksform.
Im Seminar wollen wir uns der Frage nach dem Essay einerseits durch die Lektüre exemplarischer Essays nähern, aber auch (literatur-)historische und theoretische Perspektiven erarbeiten. Dabei wird ein Seminarfokus auf Montaignes Essais und seinen sozial- und kulturgeschichtlichen Entstehungskontexten liegen. Außerdem wollen wir theoretische Zugänge zum Essay diskutieren (z.B. Lukács 1911, Bense 1947, Adorno 1958, Sontag 1991, Boetcher-Joeres/Mittman 1993) und verschiedene Versuche, seine Literaturgeschichte zu schreiben, kritisch reflektieren (z.B. Schärf 1999, Zima 2012). Essayistische Ästhetiken, Denkhaltungen und Kritikpotentiale erschließen wir uns durch die Lektüre exemplarischer Essays. Mit Fokus aufs 20. und 21. Jh. kommen hier Essays von Theodor W. Adorno, James Baldwin, Roland Barthes, Walter Benjamin, Silvia Bovenschen, Carolin Emcke, Audre Lorde, Hans-Magnus Enzensberger, Enis Maci, Thomas Mann, Yoko Tawada, Christa Wolf, Virginia Woolf infrage. Die endgültige Auswahl erfolgt im Seminarplenum.

Literaturangaben

Theodor W. Adorno: Essay als Form. In: ders.: Noten zur Literatur, Frankfurt am Main 2002 [1958].
Max Bense: Über den Essay und seine Prosa. In: Merkur, März 1947, 1. Jahrgang, Heft 3, S. 414-424.
Ruth-Ellen B. Joeres, Elizabeth Mittman: Politics of the essay – Feminist perspectives. Introduction. Bloomington 1993, S. 12–20.
Georg Lukacs: Über Wesen und Form des Essays. In: G. Lukacz (Hrsg.): Die Seele und die Formen. Essays, Berlin 1911, S. 1–40.
Christian Schärf: Geschichte des Essays. Von Montaigne bis Adorno, Göttingen 1999.
Susan Sontag: Introduction. In: dies. (Hrsg.): The Best American Essays, New York, NY 1992.
Peter V. Zima: Essay, Essayismus. Zum theoretischen Potenzial des Essays. Von Montaigne bis zur Postmoderne, Würzburg 2012.

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23-LIT-M-LitAM1 Aufbau-Modul I: Historische und systematische Aspekte der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft Lehrveranstaltung 1 benotete Prüfungsleistung
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23-LIT-M-LitGM2_a Grundlagenmodul 2: Vergleichende Literaturwissenschaft/Literaturgeschichte Europäische Literaturgeschichte I Studienleistung
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23-LIT-M-LitINT Intensivierung Aufbaumodul Lehrveranstaltung 1 Studienleistung
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23-LIT-M-LitPM2 Profilmodul II: Literatur, Kultur, Wissen Lehrveranstaltung 1 benotete Prüfungsleistung
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23-LIT-M-MGS-wp Wahlpflichtmodul Literaturwissenschaft Lehrveranstaltung 1 benotete Prüfungsleistung
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Mittwoch, 24. August 2022 
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S / 2
Einrichtung
Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft
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