250265 „'Cause a girl thought it too in a book that the library bought“: Artikulationen adoleszenter Erfahrungen in Judy Blumes Teenage-Romanen und Jugendbilder ihrer gespaltenen Rezeption (S) (SoSe 2024)

Die Jugendromane von Blume befassen sich mit konflikthaften und zum Teil tabuisierten Teenage-Erfahrungen: Brüsten, die nicht so schnell wachsen, wie erwünscht („Are you there, God? It's me, Margaret“), unkontrollierbaren Erektionen („Then Again, Maybe I Won't“), der ersten Periode (etwa „Just as Long as We're Together“ und „Are you there, God?“), dem ersten sexuellen Kontakt (besonders berühmt bzw. berüchtigt dafür ist „Forever“), Masturbation (allen voran „Deenie“), der ersten Trennung („Forever“), Voyerismus („Then Again“), Krankheit und körperlicher Abweichung („Deenie“), Tagträumen („Starring Sally J. Freedman as Herself“), Mobbing („Blubber“), dem Umgang mit Ansprüchen der Außenwelt (z.B. „Deenie“), Eifersucht zwischen Freundinnen („Here's to you, Rachel Robinson“ und „Just as Long“), Trauer beim Tod eines Elternteils („Tiger Eyes“), der Trennung der Eltern („It's not the End of the World“, „Just as Long“), Umzügen (u.a. „Then Again“ und „Are you there, God?“), Bezügen zwischen Rassismus, „White Guilt“ (Coburn 2007, S.160) und Antisemitismus („Iggie's House“, „Starring Sally J. Freedman“), Schwierigkeiten der religiösen Zugehörigkeit („Are you there, God?“) und Klassenkonflikten („Then Again“) – um nur die offensichtlichsten zu nennen.

Entstanden seit den 1970ern bis in die 1990er Jahre, werden Blumes Jugendromane bis heute immer wieder angegriffen, verboten und aus Bibliotheken entfernt, häufig begründet mit der Behauptung, die Bücher seien dem Alter ihrer Leserschaft nicht angemessen. Z.B. „Forever“ – zwischenzeitlich als Schullektüre eingesetzt – wird „challenged for it's explicit content“ (Seiffert 2015, S.2). In solchen Debatten werden politische Konflikte um die Bedeutung von Adoleszenz sichtbar. Auf der anderen Seite hat Blume eine ganze Reihe von Autor_innen und Künstler_innen inspiriert. Der Titel dieses Seminars stammt aus dem Song „Judy Blume“, in dem Amanda Palmer ihre jugendlichen Leseerfahrungen und deren Botschaft besingt: „You will not be alone with your thoughts/ Well, you will, but you won't in a way/ 'Cause a girl thought it too in a book that the library bought.“ Blume ruft bei ihren Fans eine nachdrückliche Dankbarkeit hervor, die sich vornehmlich auf zwei Aspekte bezieht: Erstens das Lernen von ihr, ihrem Schreiben über „intrusive and embarrasing things“ (Ruby 2007, S.38): „You told me things that nobody around me would tell“ (Palmer). Das reicht von „Blume has the answer to all my mother-daughter questions“ (Kendrick 2007, S. 202) und „taught me how to make friends“ (Platas 2007, S. 207) über „boy knowledge“ (ebd. S. 214) bis hin zu einer Dreizehnjährigen, die in einem Brief an Blume über Masturbation schreibt: „your books [...] help me not to be afraid and answer all my questions.“ Zweitens treten oft Identifikationen mit den Figuren hervor: Melissa Senate überstand Krisen mit der Lektüre von „The Again“, denn sie nahm „remarkable similarities to Tony Miglione's“ (2007, S.115) Leben wahr. Kristin Karmel schreibt über die Trennung ihrer Eltern und die Lektüre von „It's not the End“: „But Karen Newman made it through. And that was important to me, because it meant that I could, too“ (2007, S.141). Jennifer Coburn reflektiert: „I've been like Winnie, the awkward white girl who lives down the block from Iggie's House [...], showcasing her self-consciousness about race“ (2007, S.159). Julie Keller erinnert sich daran, wie die wiederholte Lektüre von „Deenie“ sie bei verstörenden Arztbesuchen tröstete, weil die Protagonistin erfolgreich behandelt werden konnte. Shanna Swendson hingegen identifizierte sich gerade nicht mit Deenie, sondern dem Mädchen, das Deenie abwertend „the Creeping Crud“ (2007, S.147) nennt…
In diesem Seminar untersuchen wir mithilfe von Adoleszenz-Theorien Artikulationen von Adoleszenz in Blumes Romanen sowie die Jugendbilder ihrer gespaltenen Rezeption. Dazu gehört auch die Reflexion der Tatsache, dass „Summer Sisters“ als Roman für Erwachsene vermarktet wurde, obwohl auch er eine Jugendfreundschaft ins Zentrum rückt.

Teilnahmevoraussetzungen, notwendige Vorkenntnisse

Master of Arts: Voraussetzung ist die Einschreibung im Master of Arts Erziehungswissenschaft im SoSe 2024

M.Ed. UFP: Voraussetzung ist die Einschreibung im Master of Education UFP im SoSe 2024

Die Bereitschaft ausgewählte englischsprachige Romane zu lesen.

Literaturangaben

Primärliteratur:
Blume, Judy: Are You There God? It's Me, Margaret (1970). Atheneum 2014.
- BFF*: Just As Long As We're Together (1987)/Here's to You, Rachel Robinson (1993). Delacorte 2007.
- Blubber (1974). Macmillan 2016.
- Deenie (1973). Atheneum 2014.
- Forever (1975). Macmillan 2015.
- Iggie's House (1970). Atheneum 2014.
- It's Not the End of the World (1972). Macmillan 2016.
- Starring Sally J. Freedman as Herself (1977). Atheneum 2014.
- Summer Sisters (1998). Sphere 2009.
- Then Again, Maybe I Won't (1971). Atheneum 2014.
- Tiger Eyes (1981). Macmillan 2015.
- What Kids Wish They Could Tell You. Letters To Judy. Pocket Books 1987.
O'Connell, Jennifer (Hg.): Everything I Needed to Know about Being a Girl I Learned from Judy Blume. New York 2007.

Sekundärliteratur:
Bernfeld, Siegfried: Vom dichterischen Schaffen der Jugend [1924]. Werke Band 6. Gießen 2014.
Flaake, Karin: Körper, Sexualität und Geschlecht. Studien zur Adoleszenz junger Frauen. Gießen 2011.
Rodríguez Ubeira, Paula: Sexual Representations and Sexual Stereotypes in Young Adult Literature: Judy Blume’s Forever and Melvin Burgess’ Doing it. In: Veljka Ruzicka Kenfel (Hg.): New Trends in Children’s Literature Research. Twenty-first Century Approaches (2000-2012) from the University of Vigo. Frankfurt/Main 2014.
Seifert, Christine: Virginity in Young Adult Literature After Twilight. Lanham/Maryland 2014.
Weitere Sekundär-Literatur wird im Seminar bekannt gegeben.