230482 Ethnologische Moderne und Weltliteratur (S) (SoSe 2022)

Das Seminar widmet sich Fragen des Austausches zwischen Literatur und Ethnologie. Mit dem Begriff der „ethnologischen Moderne“ (Erhard Schüttpelz) möchten wir Texte des späten 19 Jh. bis Mitte des 20 Jh. nach Modellierungen von ethnographischen Situationen und literarischen Verfahren befragen. Um diesen Zusammenhang informiert und systematisch anzugehen, bietet es sich an in den Dynamiken von Mobilität, Beobachtung, Vergleichen, Schreiben und Übersetzen den Fokus auf Reiseliteratur zu richten, die sich in einem weltliterarischen Maßstab intensiv der Fremderfahrung und dem Wissen des Anderen widmet. Um unsere Fragen noch genauer zu fokussieren, werden wir uns vorzugsweise (aber nicht ausschließlich) französischsprachigen Literaturen und Autor:innen widmen, die für die Betrachtung der ethnologischen Moderne in weltliterarischem Maßstab in Betracht kommen. (Listen wir kurz auf, wer u.a. dafür in Frage kommen könnte: V. Segalen - Essai sur l´exotisme (Versuch über den Exotismus), Rene Leys; B. Cendrars – Feuilles de route (Gedichte); A. Artaud – Les Tarahumaras (Die Tarahumaras); H. Michaux – Ecuador (Ecuador); C. Lévi-Strauss – Tristes tropiques (Traurige Tropen) etc.)
Wir werden uns zunächst einen Zugang zu den zentralen Orientierungspunkten unserer Auseinandersetzung erarbeiten und uns dann Schritt für Schritt der Lektüre der ethnographischen wie literarischen Reiseleiter widmen. Damit klären wir zunächst, was es mit der Rede von Weltliteratur, der Idee der ethnologischen Moderne und auch der Schwierigkeit der Definition von Reiseliteratur auf sich hat.

Die Veranstaltung richtet sich damit an gleichermaßen literarisch wie ethnographisch Interessierte, denn zur Diskussion stehen dabei Fragen nach dem Literaturbegriff angesichts des angenommen vielfältigen Wechselbezugs von literarischen Praktiken und ethnologischen Fragestellungen, sowie Fragen des Verständnisses von Kultur(en), die eine solche Literatur aufwerfen und befördern kann.

Der Zugang zur Auswahl der Primärtexte und Sekundärliteratur wird vor Beginn des Semesters bereitgestellt. Die Texte können ebenfalls in Übersetzungen gelesen und diskutiert werden; es gibt somit keine besonderen Vorrausetzungen, was ihre Sprachkenntnisse betrifft. Die Bereitschaft zur Lektüre englischsprachiger Texte ist jedoch notwendig; auch Französischkenntnisse sind ausdrücklich erwünscht.

Zur Einführung bzw. Orientierung empfohlen und sicher Gegenstand unserer Diskussion:
Erhard Schüttpelz, Die Moderne im Spiegel des Primitiven, 2005.
Erhard Schüttpelz, Weltliteratur in der Perspektive einer Longue Durée, 2009.
Daniela Gretz, Ethnologie, in: Handbuch Literatur und Wissen, 2013.