300155 Soziologische Tricks. Handwerkszeug für studentische Arbeiten (Der "Sturm auf das Kapitol" am 6. Januar 2021) (S) (SoSe 2024)

Inhalt, Kommentar

In seinem Buch Soziologische Tricks – im amerikanischen Original Tricks of the Trade – schildert Howard S. Becker ein breites Panorama der handfesten Probleme, mit denen Soziolog:innen oftmals konfrontiert sind, während (!) sie sich ernsthaft – theoretisch informiert und empirisch naiv – mit ‚ihren‘ Untersuchungsgegenständen auseinandersetzen. En passant schreibt er damit eine Soziologie soziologischer Forschung – und insbesondere von Theoriearbeit. Dafür erörtert er so einiges an Handwerkszeug, um die auftretenden Probleme anzugehen – Tricks eben. Er entwirft keine abstrakten Lösungswege, sondern beschreibt sehr konkret, wo die betreffenden Tricks schon einmal zum Einsatz gekommen sind. Das Buch enthält dabei kein allgemeines, geradezu ‚globales‘ Rezeptwissen, sondern formuliert typische Anlässe, sich der geschilderten Tricks zu bedienen und sie kreativ zur fruchtbaren Gestaltung der eigenen ‚lokalen‘ Problemsituation einzusetzen.

Mithilfe soziologischer Tricks zu arbeiten, basiert somit auf der Prämisse, dass Sozialforschung – wie gesagt: theoretisch informiert, aber empirisch naiv – ein ständiges Problemlösen ist. (Und es wäre natürlich schön, die auftretenden Probleme wären bereits in der Konzeptionsphase einer Untersuchung vollends bekannt. Sind sie aber meist nicht. Wären sie es, handelt es sich vermutlich nicht um Forschung, die sich an die Konzeption anschließt.) Ein Beispiel für ein solches Problem: In ihrer Auseinandersetzung mit empirischen Materialien nimmt so langsam eine schöne Antwort in ihrem Kopf Gestalt an. Nur fehlt Ihnen leider noch die passende Frage. – Was machen Sie? („Nine Wagner“.)

In unserem Seminar werden wir uns vertiefend mit diversen soziologischen Tricks befassen. Wir tun das ebenfalls nicht abstrakt, sondern konkret anhand eines Geschehens, das im öffentlichen Sprachgebrauch oftmals als „Sturm auf das Kapitol“ bezeichnet wird. Dadurch gewinnen wir die Möglichkeit, die Nützlichkeit bestimmter Tricks und vor allem auch: ihre Grenzen mithilfe eines ähnlichen Kenntnisstands empirischen Materials zu diskutieren. Zudem bietet dieses Vorgehen die Möglichkeit, Schilderungen eigener Interessengebiete in die Diskussion einzubringen und in Anlehnung bzw. im Kontrast zum Fall des Kapitol-Sturms zu erörtern. („Denken in Analogien“ heißt dieser Trick.)

Sie werden im Veranstaltungsplan sehen, dass das Seminarkonzept zwar vorsieht, große Teile von Beckers Buch zu besprechen – ergänzt um weitere Lektüren zu soziologischen Tricks. Das Seminar folgt aber nicht dem Aufbau des Buches. Es legt zwar von seiner Anlage nahe, dass Forschungsprobleme in einer bestimmten Folge auftreten. Eine solche Linearität ist jedoch eine Schimäre. (Das war auch Becker völlig klar. Nicht zuletzt ist es deswegen möglich, an jeder beliebigen Stelle mit der Lektüre seiner Monografie zu beginnen.) Und uns bietet sich die Möglichkeit, nicht unhinterfragt ein vermeintlich notwendiges Programm abzuspulen. Vielmehr können wir bestimmte, sagen wir: handwerkliche, Problemhorizonte aufspannen. Dazu zählen: Entdecken. Erklären. Material erschließen, sammeln, kreieren. Mit der Materialfülle klarkommen. Explizieren. (Auf-)Schreiben, (Um-)Schreiben, (Fertig-)Schreiben.

SCHREIBWERKSTATT

Im Lauf des Semesters werden wir immer wieder Schreibwerkstatt-Anteile in das Seminar integrieren. Sie dienen dazu, das Verfassen von Hausarbeiten zu diskutieren und vorzubereiten. Daher werden wir immer wieder über Tipps, Tricks und Schwierigkeiten sprechen, die mit dem wissenschaftlichen Schreiben verbunden sind, und nach und nach beginnen, Konzepte für eigene Arbeiten zu entwickeln. So haben Sie Ihren Text zum Ende der Vorlesungszeit mindestens vor Augen, vielleicht aber auch schon auf dem Papier.

Wer keine Hausarbeit in diesem Seminar schreiben, aber trotzdem teilnehmen möchte, ist natürlich herzlich dazu eingeladen. Gerne können Sie das Seminar auch nutzen, um ein Konzept für Ihre Masterarbeit zu entwickeln.

VORBEREITENDE LEKTÜRE FÜR UNSERE SITZUNGEN

Das gemeinsame Arbeiten im Seminar basiert darauf, dass alle Beteiligten sich mit der vorbereitenden Lektüre zu den jeweiligen Sitzungen befasst haben. Gleichzeitig ist es eine ausgesprochene Zumutung, Texte zu lesen, die andere für einen ausgesucht haben. Das ist mir völlig klar. Doch zählen gemeinsame Lektüren zu den besten Grundlagen, um sich mit komplizierten Vorgängen und Sachverhalten zu befassen, sie analytisch zu durchdenken und eine eigenständige, selbstbewusste Position zu den Dingen zu entwickeln. Geben Sie den Texten daher bitte eine faire Chance. Sie haben es verdient.

Falls es Ihnen vor der Sitzung – aus welchen Gründen auch immer – nicht gelingt, die betreffenden Texte vorzubereiten, kommen Sie bitte auf keinen Fall ins Seminar. Sie werden nichts davon haben. Gehen Sie lieber Kaffee trinken oder ins Schwimmbad.

Teilnahmevoraussetzungen, notwendige Vorkenntnisse

Sie sollten sich schon einmal an dem ein oder anderen soziologischen Argument ausprobiert haben. Noch wichtiger ist allerdings eine grundsätzliche Lese- und Diskussionsbereitschaft. Wenn Sie sich – aus welchen Gründen auch immer – nicht imstande sehen, sich intensiv mit der Seminarlektüre auseinanderzusetzen und in regelmäßigen Abständen etwas für das Seminar zu schreiben, sollten Sie sich lieber nach einem anderen Seminar umschauen.

Literaturangaben

Becker, H.S., 2021: Soziologische Tricks. Wie wir über Forschung nachdenken können. Hamburg: Hamburger Edition.

Becker, H.S., 2019: Einzelheiten zusammenfassen. S. 99–113 in: Ders., Erzählen über Gesellschaft. Wiesbaden: Springer VS.

Davis, F., 1974: Stories and Sociology. Urban Life and Culture 3: 310–316.

Hartmann, E., 2021: Heuristics Matter. Über die Kunst, in Rätseln zu denken. S. 77–82 in: S. Lahm & T. Hoebel (Hrsg.), Kleine Soziologie des Studierens. Eine Navigationshilfe für sozialwissenschaftliche Fächer. Stuttgart: UTB.

Hauffe, T., 2021: Der soziologische Blick. Über die Schwierigkeit, unsere Standardeinstellung infrage zu stellen. S. 66–70 in: S. Lahm & T. Hoebel (Hrsg.), Kleine Soziologie des Studierens. Eine Navigationshilfe für sozialwissenschaftliche Fächer. Stuttgart: UTB.

Hoebel, T., 2021: Auf wessen Seite steht Howard S. Becker? Ein Nachwort. S. 321–338 in: H.S. Becker, Soziologische Tricks. Wie wir über Forschung nachdenken können. Hamburg: Hamburger Edition.

Kleinman, S. & K.H. Kolb, 2011: Traps on the Path of Analysis. Symbolic Interaction 34: 425–446

Merton, R.K., 1987: Three Fragments from a Sociologist’s Notebooks: Establishing the Phenomenon, Specified Ignorance, and Strategic Research Materials. Annual Review of Sociology 13: 1–29.

Zerubavel, E., 2024: Concept-Driven Sociology. Symbolic Interaction. Online First.

Lehrende

Termine ( Kalendersicht )

Rhythmus Tag Uhrzeit Format / Ort Zeitraum  
wöchentlich Do 16-18 X-B3-117 08.04.-19.07.2024
nicht am: 20.06.24

Fachzuordnungen

Modul Veranstaltung Leistungen  
30-M-Soz-M2a Soziologische Theorie a Seminar 1 Studienleistung
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Seminar 2 Studienleistung
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- benotete Prüfungsleistung Studieninformation
30-M-Soz-M2b Soziologische Theorie b Seminar 1 Studienleistung
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Seminar 2 Studienleistung
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- benotete Prüfungsleistung Studieninformation
30-M-Soz-M2c Soziologische Theorie c Seminar 1 Studienleistung
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Seminar 2 Studienleistung
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- benotete Prüfungsleistung Studieninformation

Die verbindlichen Modulbeschreibungen enthalten weitere Informationen, auch zu den "Leistungen" und ihren Anforderungen. Sind mehrere "Leistungsformen" möglich, entscheiden die jeweiligen Lehrenden darüber.


STUDIENLEISTUNG: TRICKS AUSPROBIEREN (DREI DISKUSSIONSPAPIERE)

Um sich eine Studienleistung bescheinigen zu lassen, schreiben Sie bitte drei Diskussionspapiere, in denen sie je einen soziologischen Trick Ihrer Wahl nutzen, um den sogenannten Sturm auf das Kapitol zu erörtern (genauer: einen Aspekt, der Ihr Untersuchungsinteresse weckt). Bitte bedenken Sie: Sitzung #4 ist die erste, zu der Sie ein Diskussionspapier einreichen können.

Schildern Sie zunächst Ihr Verständnis des betreffenden Tricks in eigenen Worten (Umfang: ca. 150 bis 250 Wörter; zwingen Sie sich dabei bitte dazu, auf direktes Zitieren zu verzichten). Erörtern Sie dann, welche Einsicht über den sogenannten Kapitolsturm oder zu seiner genaueren Untersuchung sich mithilfe des geschilderten Tricks gewinnen lässt (Umfang: ebenfalls ca. 150 bis 250 Wörter).

Laden Sie Ihre Diskussionspapiere jeweils 24 Stunden vor Beginn der Sitzungen hoch, in denen der erörterte Trick zur Sprache kommen wird. Sie finden dazu im eKVV-Lernraum entsprechende Abgabe-Ordner. Es können nur Papiere gezählt werden, die Sie rechtzeitig hochladen. Ihre Überlegungen werden wir in der Seminardiskussion aufgreifen.

BENOTETE EINZELLEISTUNG: HAUSARBEIT SCHREIBEN

Sie verfassen zusätzlich zur Studienleistung eine Hausarbeit, die einen inhaltlichen Bezug zur Veranstaltung hat. Ich empfehle Ihnen, eine Problemstellung zum Ausgangs- oder Bezugspunkt zu machen, die Sie aus der Lektüre unserer Textgrundlagen und/oder aus den Diskussionen in den gemeinsamen Sitzungen gewonnen haben.

Gerne unterstütze ich Sie bei der Konzeption. Sprechen Sie mich gerne im Rahmen der Veranstaltung an oder machen Sie einen Sprechstundentermin mit mir.

Ein Wort zum Umfang der Hausarbeit: Sie werden es schwer haben, etwas Substanzielles in weniger als 5.000 Wörtern auszudrücken. Falls Sie demgegenüber 10.000 Wörter überschreiten, werden Sie selbst die aufgeschlossensten Lesenden langweilen.

Lernraum (E-Learning)

Zu dieser Veranstaltung existiert ein Lernraum im E-Learning System. Lehrende können dort Materialien zu dieser Lehrveranstaltung bereitstellen:

registrierte Anzahl: 30
Dies ist die Anzahl der Studierenden, die die Veranstaltung im Stundenplan gespeichert haben. In Klammern die Anzahl der über Gastaccounts angemeldeten Benutzer*innen.
Adresse:
SS2024_300155@ekvv.uni-bielefeld.de
Lehrende, ihre Sekretariate sowie für die Pflege der Veranstaltungsdaten zuständige Personen können über diese Adresse E-Mails an die Veranstaltungsteilnehmer*innen verschicken. WICHTIG: Sie müssen verschickte E-Mails jeweils freischalten. Warten Sie die Freischaltungs-E-Mail ab und folgen Sie den darin enthaltenen Hinweisen.
Falls die Belegnummer mehrfach im Semester verwendet wird können Sie die folgende alternative Verteileradresse nutzen, um die Teilnehmer*innen genau dieser Veranstaltung zu erreichen: VST_459405901@ekvv.uni-bielefeld.de
Reichweite:
30 Studierende direkt per E-Mail erreichbar
Hinweise:
Weitere Hinweise zu den E-Mailverteilern
E-Mailarchiv
Anzahl der Archiveinträge: 5
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Letzte Änderung Grunddaten/Lehrende:
Dienstag, 13. Februar 2024 
Letzte Änderung Zeiten:
Mittwoch, 14. Februar 2024 
Letzte Änderung Räume:
Mittwoch, 14. Februar 2024 
Art(en) / SWS
S / 2
Einrichtung
Fakultät für Soziologie
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459405901