Warum ist, wenn es um die Römer geht, überwiegend von den Angehörigen einer zahlenmäßig kleinen Oberschicht die Rede: von Senatoren, Rittern (equites), allenfalls noch von den Dekurionen, die in den 2000 Städten des Imperium Romanum die Amtsträger und Stadträte stellten? Das hängt mit einer Tradition in der Geschichtswissenschaft zusammen, die Ereignisse, ‚große Männer‘ sowie Verfassung und Politik in den Vordergrund rückte. Es hängt aber auch mit der Quellenlage zusammen, in der eben die genannten Elemente überrepräsentiert sind. Das gilt übrigens auch für die Sozialgeschichte dieser Gruppen: ihre Vermögen, wie sie ihrem Geld kamen, wie sie sich organisierten und miteinander umgingen, wie sie aufwuchsen, heirateten und ein Familienleben pflegten.
Doch so ganz dunkel sind die Dinge unter- und außerhalb dieses Kreises keineswegs. So werden ganz allgemein zwar die Frauen, die logischerweise etwa die Hälfte der Bevölkerung ausmachten, weniger beleuchtet als die patres familiae, Patrone und Politiker, doch ganz aussichtslos ist die Quellenlage nicht. Das gilt auch für die ebenfalls durchaus zahlreichen Sklaven und Freigelassenen, ebenso für Arme und Soldaten, und sogar über ‚echte‘ Randgruppen wissen wir manches; gemeint sind Prostituierte, Gladiatoren, Schauspieler, Banditen oder Piraten.
Ein verbindendes Element lässt sich erkennen in den moralischen Orientierungen der „Invisible Romans“ (so der Originaltitel des wichtigen Buches von Robert Knapp), von denen etwa zwei Drittel ihre schiere Subsistenz ohne Risikopuffer zu erhalten bemüht sein mussten. Arbeit und eheliche Treue wertzuschätzen gehörte zum moralischen Kompass – was Gewalt und Missbrauch in der Ehe nicht ausschloss. Schulden und Unterbeschäftigung drückten. Arbeit und Geselligkeit, Familie und Verein, Magie und Kulthandlungen bestimmten die Orientierung und hatten einen gewissen Schutz gegen die Kontingenzen des Lebens zu bieten. Die Interessen und Werte der Elite spielten hier eine geringe Rolle. Man verachtete die Arbeit durchaus nicht, mit dem Apparat des Rechts wollte man nichts zu tun haben, weil er als korrupt, schwerfällig und elitendominiert galt.
Wie kommt man an diesen Gegenstand heran? Die Forschungstradition einer traditionellen Sozialgeschichte von Unterschichten und Randgruppen in neuerer Zeit zeigt Wege, ebenso die neueren „Subalternity Studies“. Partien aus der antiken Hochliteratur können ‚gegen den Strich‘ gelesen werden; hinzu kommen wenig bekannte, aussagekräftige Texte von Autoren, die zwar gebildet waren, aber nicht der sozialen Elite angehörten: Traumbücher, astrologische Werke, Liebesromane und Lehrbücher, Sprichwörter und Fabeln, das Neue Testament und andere christliche Schriften sowie selbstverständlich Papyri und Grabinschriften.
Im Seminar werden wir – je nach Teilnehmerzahl ‒ zunächst wichtige Quellen und Texte aus der Forschungsliteratur lesen, später im Semester dann auf der Basis von Präsentationen einzelne Themen vertiefen.
Achtung: Das Seminar und die gleichnamige Historische Orientierung 220030 bilden einen vierstündigen Block und müssen beide zusammen besucht werden! Aufgrund des Aufbaus des Modulblocks wird es für Studierende, die nur eine der beiden Veranstaltungen besuchen, unmöglich sein, dem Fortschreiten im Stoff und im Kompetenzerwerb zu folgen. Auf Fragen und Probleme, die sich aus dem Versäumen von einzelnen Sitzungen oder einer ganzen Hälfte des Moduls ergeben, kann keinerlei Rücksicht genommen werden können.
abgeschlossenes Grundmodul Antike
Einen guten Einstieg in die Quellen bieten zwei Anthologien: Jo-Ann Shelton (ed.), As the Romans Did. A Sourcebook in Roman Social History, 2nd ed. 1998; Tim G. Parkin / Arthur J. Pomeroy (eds.), Roman Social History. A Sourcebook, 2007. ‒ Pflichtlektüre ist: Robert Knapp, Römer im Schatten der Geschichte. Gladiatoren, Prostituierte, Soldaten: Männer und Frauen im Römischen Reich, ergänzt durch: Andrea Giardina (Hg.), Der Mensch der römischen Antike, 1991. Für die wissenschaftliche Orientierung nützlich: Michael Peachin (ed.), The Oxford Handbook of Social Relations in the Roman World, 2011. Géza Alföldy, Römische Sozialgeschichte, 4. völlig überarb. u. aktualis. Auflage 2011 bleibt als Überblick unentbehrlich, obwohl sich der Autor auf die Eliten konzentriert und sein Stände-Schichten-Modell der römischen Gesellschaft auch Kritik erfahren hat. Speziellere Literatur nennt Herbert Graßl, Der Neue Pauly 10, 2001, 768-772 s.v. Randgruppen.
Frequency | Weekday | Time | Format / Place | Period | |
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weekly | Fr | 12-14 | Unpublished | 13.10.2025-06.02.2026 |
Module | Course | Requirements | |
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22-3.1 Hauptmodul Vormoderne
3.1.2 |
Seminar Vormoderne | Study requirement
Graded examination |
Student information |
22-3.8 Wahlfreies Hauptmodul
3.1.2 |
Seminar | Study requirement
Graded examination |
Student information |
The binding module descriptions contain further information, including specifications on the "types of assignments" students need to complete. In cases where a module description mentions more than one kind of assignment, the respective member of the teaching staff will decide which task(s) they assign the students.
Im Seminar: Präsentation mit Quellenpapier/Tischvorlage; schriftliche Hausarbeit im Umfang von 40.000-50.000 Zeichen (= 20-25 Seiten); s. Modulhandbuch.
In der Historischen Orientierung 220030: Zwei bis drei Studienleistungen nach Absprache