230072 Verstörendes Erzählen im Film (= Einführung in die Medienanalyse für das Studienmodell 2002) (S) (WiSe 2016/2017)

Inhalt, Kommentar

Verstören kann ein (filmischer) Text auf mannigfache Weise. Das unzuverlässige Erzählen ist nur eine Subkategorie der heftigen Irritationen, die Narrationen zuweilen bewirken. Die Verstörungen sind dann ästhetisch reizvoll, wenn sie einerseits ambivalent werden bis zur Unentscheidbarkeit, andererseits aber hinlänglich Material geboten wird durch das Artefakt, Kohärenzen dennoch zu konstruieren: Der Rezipient ist also permanent bemüht, die Unentscheidbarkeit aufzulösen in Entscheidungsprozesse. Er begnügt sich nicht dabei, die Ambivalenz zu konstatieren, so wie auch Dominik Orth das Problem im Rahmen seiner Typologie über den Realitätsanspruch fiktionaler Narrationen hat beheben wollen. Er bleibt aber auch nicht völlig orientierungslos. Der Genuss, der nur ungenügend mit dem Terminus mindfuck bezeichnet wird, tendiert deutlich zur Artefakt-Emotion – und die wiederum wird häufig, ja zentral ausgelöst von Metalepsen.
Beabsichtigt ist bei Lynch und Cronenberg durchweg die Täuschung: durch die Unzuverlässigkeit der narrativen Instanz (in der Fokalisierung, Okularisierung, Aurikularisierung, Schlickers), durch die dramaturgische Konstruktion auf den finalen twist hin, der sich dann selbst als red herring entpuppt. Die Täuschung ist also bereits als narrative Paradoxie angelegt, wie die zahlreichen Metalepsen, Möbiusschleifen, und die Mise en abyme der Spiegelung fiktionaler Ebenen belegen. Auf der Seite der Figuren und ihrer Bewusstseinsgehalte herrscht, wie Thomas Weber formuliert hat, eine „Dramaturgie des Verdachts“ vor. Verrätselungen kommen hinzu durch die vielfach abstrusen und fantastischen, emotional verwirrenden Geschehnisse, die im Plotverlauf geboten werden, darunter zählen Verschachtelungen von (inhaltlich monströs ausgestalteten) Träumen, welche die grundsätzliche narrative Ambiguität der Realitätsebenen unterstreichen.

Wir sehen nicht nur die transzendentale Frage nach der Überprüfbarkeit der Sinneseindrücke aufgeworfen, sondern befinden uns zugleich in einem Strudel teils ekelhafter, teils faszinierend drastischer Bilder mit erotischen und/oder gewalttätigen Konnotationen, in denen es auf doppelte Weise kein Entrinnen zu geben scheint. So glaubt sich der Rezipient beispielsweise im Spiel eXistenZ des Softwareunternehmens Antenna Research und seiner Entwicklerin, der Protagonistin Allegra Geller, gefangen; aber er ist auch, wie der Antagonist Ted Pikul, Opfer seiner eigenen Projektionen, seiner Ängste und Sehnsüchte, die der Film als einen Metadiskurs der Psychoanalyse inszeniert. Auch der Kontrast dieser beiden Positionen macht die meisterhaft ausgestellte, irritierende Unentscheidbarkeit von Virtualität und Realität innerhalb der Fiktion bei David Cronenberg wie David Lynch aus. Ihre Filme bieten sich zur narratologisch und semiotisch inspirierten Lektüre an, die Kohärenzannahmen wie deren Durchkreuzungen beschreibt (Schlickers).

Wir versuchen hier vor allem zu klären, welche Ebenen in den zu untersuchenden Filmen entfaltet werden. Denn dass die Irritationen häufig aus einer Verschachtelung von Fiktionsräumen bestehen, die ontologisch unterschiedlichen Realitätsstatus haben sollen, ist evident. Ob es sich hier um eine Mise en abyme im strikten Sinne handelt, wird noch zu klären sein. Wenn wir nicht wissen, ob wir uns in der narrativen Wirklichkeit, auf einer virtuellen Ebene oder im Imaginären befinden, fällt es allerdings schwer, das Handeln der Figuren zu begreifen, es moralisch einzuordnen oder Kohärenz einzufordern. Ihre Identitäten werden dann möglicherweise brüchig oder multipel; sie behaupten, sie selbst zu sein und zugleich ein Anderer.

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• Literatur wird über elektronischen Lernraum und Handapparat zur Verfügung gestellt.

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23-LIT-M-LitPM1 Profilmodul I: Literatur und Ästhetik Lehrveranstaltung 1 benotete Prüfungsleistung
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23-LIT-M-LitPM2 Profilmodul II: Literatur, Kultur, Wissen Lehrveranstaltung 1 benotete Prüfungsleistung
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23-LIT-M-LitPM3 Profilmodul III: Literatur und Medien Lehrveranstaltung 1 benotete Prüfungsleistung
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23-LIT-M-MGS-wp Wahlpflichtmodul Literaturwissenschaft Lehrveranstaltung 1 benotete Prüfungsleistung
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23-MeWi-HM1 Medien, Sprache und Kultur Lehrveranstaltung I benotete Prüfungsleistung
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Die verbindlichen Modulbeschreibungen enthalten weitere Informationen, auch zu den "Leistungen" und ihren Anforderungen. Sind mehrere "Leistungsformen" möglich, entscheiden die jeweiligen Lehrenden darüber.

Studiengang/-angebot Gültigkeit Variante Untergliederung Status Sem. LP  
Germanistik / Master of Education (Einschreibung bis SoSe 2014) BaGerP2G; BaGerB4   2/5/1.5/3.5  
Germanistik (GHR) / Master of Education (Einschreibung bis SoSe 2014) BaGerP2G; BaGerB4   2/5/1.5/3.5  
Medienwissenschaft, interdisziplinäre / Master (Einschreibung bis SoSe 2014) Hauptmodul 1 Wahlpflicht 3  

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Donnerstag, 15. September 2016 
Letzte Änderung Zeiten:
Montag, 18. Juli 2016 
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Art(en) / SWS
S / 2
Einrichtung
Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft
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