Die Frage, wie soziale Ordnung möglich sei, ist die zentrale Problemstellung soziologischer Forschung – wenngleich sie in unterschiedlichen begrifflichen Fassungen auftaucht. Soziologinnen nehmen dabei in erster Linie einen empirischen Standpunkt ein („Wie ist soziale Ordnung zu einem bestimmten Zeitpunkt?“), nicht einen primär normativen („Wie soll soziale Ordnung sein?“). Sie interessieren sich dabei für soziale Ordnungen aller Art: von kurzen Augenblicken in laufenden Gesprächen über soziale Beziehungen von einiger Dauer bis hin zu Zivilisationen, die über Jahrhunderte hinweg existieren.
Nutzen wir die Unterscheidung von Ordnungszusammenbruch und Ordnungsbildung, um den Stand der soziologischen Forschung zum Problem sozialer Ordnung zu betrachten, dann fällt auf, dass die Disziplin ‚Schlagseite‘ hat. Sie ist theoretisch und methodologisch recht gut darauf eingestellt, die Bildung sozialer Ordnung zu analysieren. Dazu findet sich eine Fülle von Studien. Demgegenüber sind Ordnungszusammenbrüche zwar kein vernachlässigtes Thema, sie werden aber weitaus seltener behandelt.
„Scheitern“, „Kollaps“, „Katastrophe“, „Stunde null“, „Phönix aus der Asche“ u.v.m. sind mehr oder weniger lautmalerische Kategorien, mit denen Beobachter eine soziale Wirklichkeit zu beschreiben suchen, in der etwas zusammenbricht oder zusammengebrochen ist. Einen solchen Zusammenbruch zu entdecken, setzt gleichwohl ein bestimmtes Maß an sozialer Ordnung voraus. Allein die Tatsache, dass die Sprache, um sich kategorial über das betreffende Geschehen zu verständigen, in der Regel schon vor dem beobachteten Zusammenbruch existierte, lässt darauf schließen, dass Ordnungszusammenbrüche selten total sind. Darüber hinaus macht die berühmte ethnomethodologische Maxime des „order at all points“ darauf aufmerksam, dass der sich vollziehende Zusammenbruch einer sozialen Ordnung selbst eine bestimmte soziale Ordnung aufweist.
Im Seminar werden wir gemeinsam die Frage bearbeiten, wie sich Ordnungszusammenbrüche und Ordnungsbildungsprozesse vollziehen und miteinander verknüpft sind. Dafür richten wir den Blick u.a. auf Interaktionen, Liebesbeziehungen, Städte und Zivilisationen, legen jedoch den Schwerpunkt auf organisierte Sozialsysteme. Im Fokus stehen empirische Fälle, bei denen wir das Augenmerk darauf richten, mit welchen theoretischen und methodologischen Mitteln sie analysiert werden. Könnte man Ordnungszusammenbrüche und Ordnungsbildungen von Interaktionen, Beziehungen, Organisationen, Städten und Zivilisationen im Grunde nicht mit den gleichen Konzepten analysieren?
Didaktisch ist die Veranstaltung als intensives Lektüreseminar angelegt, bei dem die theoretisch informierte Diskussion empirischer Fälle sozialer Ordnungsbildung und Ordnungsauflösung im Zentrum steht. Dabei werden wir uns immer wieder mit Filmmaterialien, Fotodokumenten und Reportagen zu historischen und aktuellen Ereignissen auseinandersetzen.
Jede und jeder, die/der eine Hausarbeit schreiben möchte, hat in den laufenden Sitzungen und folglich noch während der Vorlesungszeit die Gelegenheit, eine bearbeitbare Fragestellung zu entwickeln. Ich stehe dabei helfend zur Seite.
Wer sich – aus welchen Gründen auch immer – nicht imstande sieht, sich intensiv mit der Seminarlektüre auseinanderzusetzen und in regelmäßigen Abständen etwas für das Seminar zu schreiben, ist in dieser Veranstaltung falsch.
Notwendige Teilnahmevoraussetzungen
— Erfolgreiche Teilnahme an Einführungsveranstaltungen zur Soziologie und zur Organisationssoziologie (im Transkript dokumentiert)
— Bereitschaft, sich mithilfe der im Seminarplan angegebenen Lektüre intensiv auf die einzelnen Sitzungen vorzubereiten
— Diskussionsfreude
— Aufgeschlossenheit für die Argumente anderer
Empfohlene Teilnahmevoraussetzungen
— Argumentationstheoretische Grundkenntnisse
— Geschichtskenntnisse
— Regelmäßige Zeitungslektüre (oder Nutzung äquivalenter Quellen, um über aktuelles Zeitgeschehen informiert zu sein)
Eisenstadt, S.N. & M. Curelaru, 1976: The Form of Sociology. Paradigms and Crises. New York: Wiley, hier: S. 58-62.
White, H.C., 2008: Notes on the Constituents of Social Structure. Soc. Rel. 10 – Spring ’65. Sociologica: Italian Journal of Sociology 2: 1–15.
Frequency | Weekday | Time | Format / Place | Period | |
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weekly | Do | 10-12 | X-E0-210 | 14.04.-21.07.2016
not on: 5/5/16 / 5/19/16 / 5/26/16 / 6/23/16 |
|
one-time | Do | 10-12 | X-E1-109 | 23.06.2016 | |
one-time | Do | 12-14 | X-E0-228 | 14.07.2016 |
Module | Course | Requirements | |
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30-M32 Fachmodul Organisation II (erweitert) | Problemfeldanalyse oder Vertiefungsseminar | Study requirement
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Student information |
Vertiefungsseminar | Study requirement
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Student information | |
- | Graded examination | Student information |
The binding module descriptions contain further information, including specifications on the "types of assignments" students need to complete. In cases where a module description mentions more than one kind of assignment, the respective member of the teaching staff will decide which task(s) they assign the students.
Degree programme/academic programme | Validity | Variant | Subdivision | Status | Semester | LP | |
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Sozialwissenschaften GymGe als zweites Unterrichtsfach / Master of Education | (Enrollment until SoSe 2014) | Fachmodul (FM) Org | Wahl | 4 | (bei Einzelleistung 2 LP zusätzlich) |
Für die Bescheinigung der aktiven Teilnahme bzw. einer Studienleistung
— Regelmäßige körperliche und geistige Anwesenheit, aktive Beteiligung an der Seminardiskussion
— Lektüre der erforderlichen Literatur zu jeder Sitzung
— Memos zu mindestens fünf Texten, die für die Sitzungen vorbereitet werden müssen
Zusätzlich für eine benotete Einzelleistung
Sie verfassen eine Hausarbeit zu einer Frage, die wir im Rahmen des Seminars diskutieren bzw. die einen Seminarbezug hat. Ihre Texte sollten problemorientiert, anschaulich und argumentativ sein. Wählen Sie Ihre Frage sehr bewusst – eine gute Frage wird Sie beim Schreiben inspirieren. Ich unterstütze Sie gerne bei der Themenfindung und der Erarbeitung Ihres Texts. Sprechen Sie mich dazu ruhig an.
Ein Wort zum Umfang: Sie werden es schwer haben, etwas Substantielles in weniger als 4.000 Wörtern auszudrücken. Falls Sie demgegenüber 8.000 Wörter überschreiten, werden Sie selbst den aufgeschlossensten Leser langweilen.