239844 Karneval: Theorie und Geschichte (mit Pflichtexkursion in der Woche nach Pfingsten) (S) (SoSe 2014)

Inhalt, Kommentar

Was Karneval, Fas(t)nacht oder Fasching ist, meint jeder von uns zu wissen. Man braucht nur nach Köln, Mainz oder auch nach München zu fahren, um in der Vorstellung vom fröhlich-ausgelassenen Festtreiben vor dem Beginn der vorösterlichen Fastenzeit bestätigt zu werden ("Am Aschermittwoch ist alles vorbei"). Aber schon wenn man an den 'tollen Tagen' statt in die rheinischen Karnevalshochburgen zu den 'Narrensprüngen' der schwäbisch-alemannischen 'Fasnet' fährt, etwa nach Rottweil, ergibt sich bei den Umzügen mit den festen Maskentypen ein durchaus anderes Bild. Und die Basler Fasnacht, die am Montag nach Aschermittwoch beginnt, hält sich zumindest aus heutiger Sicht nicht einmal an die Definition vom Karneval als der (vorläufigen) Verabschiedung aller Fleischeslust vor dem Beginn der kirchlichen Askesezeit. Die Irritationen setzen sich fort, wenn man vergleichbare Bräuche außerhalb des deutschen Sprachgebietes mit bedenkt, etwa den berühmten Karneval von Venedig oder gar denjenigen von Rio. Was hat es auf sich mit dieser Ausnahmezeit und ihren vielfältigen Lizenzen in den Bereichen von Essen und Trinken, von Erotik, von Kleiderordnungen, von Standesgrenzen und von politischer Meinungsäußerung?
Man kann also hier schon sehen: Was wir so aus unserer alltäglichen Erfahrung heraus zu kennen meinen und was sich aus der theoretisch geleiteten und begrifflich reflektierten Beobachtung heraus erschließt, das kann sich durchaus sehr unterscheiden. Das Seminar widmet sich deshalb dem breiten kulturellen und ästhetischen Phänomen Karneval in verschiedenen systematischen und historischen Zugriffen. Es werden so unterschiedliche Theorien zu diskutieren sein wie die von den 'Ventilsitten', welche die gesellschaftliche Ordnung im Grunde nur bestätigen, oder von Inszenierungen einer 'Verkehrten Welt', bei denen heidnische oder politisch-oppositionelle (Gegen-)Stimmen in der christlichen Gesellschaft zum Ausdruck kommen, oder vom Karneval als theologischer Moraldidaxe, die durch die alljährliche Vorführung von Lasterrepräsentationen eine abschreckende Wirkung auf die Bevölkerung haben soll. Historisch werden wir nach den möglichen Vorläufern solcher Feste zu den Zäsuren des Jahresablaufs fragen müssen, den römischen Saturnalien oder Luperkalien etwa, oder germanischen Bräuchen zum Austreiben des Winters. Der mittelalterliche Brauch, am Fest Unschuldige Kinder einen Kinderbischof zu erwählen, kann ebenfalls hierzu zählen, wie die Ess- und Trinkexzesse am Martinitag (11. November), an dem noch heute oft die 'fünfte Jahreszeit' ihren Anfang nimmt. Mit Narrenfesten und 'Mummenschanzen' beginnt dann im späten Mittelalter die eigentliche Geschichte des Karnevals, die in räumlichen und zeitlichen Differenzierungen zu verfolgen sein wird. Literarhistorisch von Interesse sind dabei vor allem die Gattung des spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Fastnachtspiels sowie der ganze Bereich der Narrenliteratur, die von Erasmus von Rotterdam, Sebastian Brant und Johann Geiler von Kaysersberg über Thomas Murner und Abraham a Santa Clara bis zum mancher Büttenrede in heutigen Karnevalssitzungen führt. Theatrale Formen wie Maskenspiele und -züge nach literarischen Programmen, die für die höfische Kultur der Frühen Neuzeit charakteristisch waren, werden noch von Goethe in Weimar inszeniert und in den zweiten Teil des 'Faust' als 'Mummenschanz' integriert: "Denkt nicht, ihr seid in deutschen Grenzen / Von Teufels-, Narren- und Totentänzen; / Ein heitres Fest erwartet euch" (vv. 5065–5067). Stefan George und sein Kreis feiern antike Verkleidungsfeste im Schwabing der Jahrhundertwende. Die Beispiele ließen sich leicht vermehren. Fragen werden wir und müssen wir deshalb auch, ob und inwieweit Literatur und Kunst generell ein karnevalesker Zug zugesprochen werden kann, wie in der Rezeption des russischen Literaturtheoretikers M. Bachtin immer wieder behauptet wurde.
Das Seminar findet vor allem als Block in Möhringen bei Tuttlingen statt, also im Herzen der Schwäbisch-alemannischen Fastnacht. Die Teilnahme an der Exkursion ist deshalb unerlässlich, um einen Studien- oder Leistungsnachweis zu erwerben.
Die Exkursion wird vom 09.06. bis zum 15.06.2014 stattfinden. Die Exkursion wird bezuschusst. Wir werden im Naturfreundehaus Tuttlingen-Möhringen übernachten und von dort aus Tagesfahrten mit dem Bus unternehmen.

Eine verbindliche Anmeldung ab sofort bis spätestens zum 11. April 2014 ist erforderlich unter Anzahlung von € 100 bei Frau Beyn (Zimmer D 4 – 110, Tel.: 0521–1065264, vormittags bis 12.30 Uhr). Die Teilnehmerzahl ist auf 50 begrenzt.

Teilnahmevoraussetzungen, notwendige Vorkenntnisse

!!! für die Teilnahme an der Exkursion bitte so früh wie möglich anmelden !!!

Literaturangaben

Zur ersten Einführung:
Hans-Jürgen Bachorski: Art. 'Karneval'. In: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft, Bd. 2, Berlin / New York 2000, S. 237-239.

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Seminar mit Lektüreschwerpunkt Studienleistung
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23-LIT-M-LitPM1 Profilmodul I: Literatur und Ästhetik Lehrveranstaltung 1 benotete Prüfungsleistung
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Germanistik / Bachelor (Einschreibung bis SoSe 2011) Kern- und Nebenfach BaGerP2L   2/5  
Germanistik / Master of Education (Einschreibung bis SoSe 2014) BaGerP2L   2/5  
Literaturwissenschaft / Bachelor (Einschreibung bis SoSe 2011) Nebenfach BaLitEM   2/4  
Literaturwissenschaft / Bachelor (Einschreibung bis SoSe 2011) Nebenfach BaLitBM1; BaLitP3; BaLitP4   2/4  
Literaturwissenschaft / Master (Einschreibung bis SoSe 2012) MaLit3; MaLit6a; MaLit5a Wahlpflicht 2. 3. 3/7  
Studieren ab 50    

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