230086 Frage- und Antwortstrategien in politischen Interviews (S) (SoSe 2024)

Dieses Seminar widmet sich der Analyse politischer Interviews aus formal-diskurspragmatischer Perspektive. Politiker:innen wird bisweilen — zu Recht oder Unrecht — unterstellt, sie antworteten nicht oder nur ausweichend bzw. unvollständig auf ihnen gestellte Fragen. (Ob dieser Vorwurf nur auf Politiker:innen zutrifft, sei dahingestellt; diese stehen jedenfalls im öffentlichen Diskurs, und es gibt in den Medien eine große Menge an Anschauungsmaterial, anhand dessen sich Antwortverhalten prinzipiell empirisch untersuchen lässt.)

Zuvor müssen wir uns allerdings dem Problem widmen, was Fragen und Antworten eigentlich sind und was es bedeutet, eine Frage vollständig, teilweise oder gar nicht zu beantworten. An dieser Stelle helfen uns Semantik und Pragmatik, die sich seit einigen Jahrzehnten mit diesen Themen auseinandergesetzt haben. Unser Augenmerk liegt vor allem auf der Theorie der ‚Questions under Discussion' (Roberts 2012), welche die Struktur von Diskursen im Allgemeinen als eine hierarchische Anordnung von Fragen und Unterfragen betrachtet. Wir wenden diese Theorie auf ausgewählte Interviews an und versuchen dabei, unterschiedliche Antwortstrategien zu identifizieren: Wird eine Frage direkt beantwortet? Lenkt eine befragte Person vom Thema ab, redet sie „Bullshit" (Frankfurt 2005) oder ist ihre Replik lediglich ausschweifend aber im Grunde genommen konstruktiv?

Literaturangaben

Frankfurt, Harry G. (2005) On Bullshit. Princeton University Press
Roberts, Craige (2012) Information structure: Towards an integrated formal theory of pragmatics. Semantics & Pragmatics 5. https://doi.org/10.3765/sp.5.6