Achtung: Dieses Seminar wird im monatlichen Takt durchgeführt (Blockseminar). Bitte beachten Sie detaillierte Informationen zu den Terminen bzw. Themenschwerpunkten der jeweiligen Sitzungen weiter unten.
Dieses Seminar betrachtet Personal (auch Personalwesen/Personalarbeit/Human Resource Management etc.) als Strukturmerkmal organisierter Sozialsysteme. Konkret handelt es sich nach der soziologischen Systemtheorie Niklas Luhmanns bei Personal um eine der drei sog. formalen "Entscheidungsprämissen" in Organisationen (Programme, Kommunikation und eben Personal).
Entscheidungsprämissen liegen als buchstäbliche "Vor"-Stellungen allen jeweiligen Einzelentscheidungen bzw. Entscheidungsepisoden zugrunde. So gibt es in Organisationen Vorstellungen darüber, welches Personal in Betracht kommt, wie zu kommunizieren und mit welchen Verfahren die Arbeit zu programmieren ist. Mit entsprechenden Folgen: Entscheidungen werden weder völlig frei "gefällt", noch sind sie Resultate einer universellen Vernunft oder wohlgeordneten Objektivität. Innerhalb eines vielfach diffusen Entscheidungsflusses orientieren sich die Entscheider an (einschränkenden) Erwartungen. Ferner beziehen sich Entscheidungen auf andere Entscheidungen (Rekursivität). Die formalen (man spricht hier auch von den entschiedenen, d. h. also geklärten, vorbestimmten) Prämissen sind von informellen (Organisationskultur) zu unterscheiden. Eine wesentliche Leistung der Entscheidungsprämissen besteht darin, Unsicherheit für die Organisation zu reduzieren und eine geeignete organisierte/organisierbare Komplexität hervorzubringen, in der überhaupt Arbeitsaktivitäten zweckgerichtet zustande kommen können.
Mit der Prämisse Personal wird adressiert, welche Personen in welchen Funktionen bzw. auf welchen Stellen entscheidend tätig werden sollen. Dies beginnt mit dem Prozess der Personalauswahl und führt über Personaleinstellung und Personalentwicklung bis zu Fragen der Versetzung und Trennung bzw. Kündigung. Zu beachten ist, dass speziell (aber nicht nur) nach systemtheoretischer Perspektive nicht etwa "ganze" Menschen (dies wäre insbesondere die "Umwelt" der Organisation) unter Personal verstanden werden, sondern primär Funktionsträger, die an bestimmte arbeitsvertragliche und somit an Mitgliedschaftsbedingungen gebunden sind, also gleichsam in Ausschnitten ihrer Persönlichkeit Verwendung finden. Die Mitgliedschaftsregeln markieren den "Spielraum" dessen, was als Personal verstanden werden kann und was demgegenüber der Umwelt der Organisation zuzurechnen ist. Daher auch spricht die systemtheoretische Soziologie markant von "Organisationsmitgliedern", wenn sie Angestellte, Beamte, Soldaten etc. meint. Die Systemtheorie kann darstellen, dass die enorme Verbreitung von Mitgliedschaften in Organisationen in der modernen (funktional-differenzierten) Gesellschaft sich gerade auch aus den relativ rigide zu handhabenden Regelwerken für Mitgliedschaft (Arbeitsverträge und arbeitsvertragliche Nebenpflichten) ergibt. Weil zahlreiche Angebote/Gelegenheiten für Mitgliedschaft in Organisationen bestehen, können Versetzungen, Trennungen bzw. Auflösungen im Rahmen von Vertragsbeziehungen auch relativ unkompliziert verrichtet werden (weitgehend andersartig als z.B. in Liebes-, Familien-, Freundschafts- und weiteren sozial hochkohäsiv strukturierten Gruppenverhältnissen). Denn schließlich sind Organisationen und deren Mitgliedschaften so sehr in der Welt verbreitet, dass "depersonalisierte" Personen schnell wieder in den Genuss neuer Mitgliedschaften kommen und also in anderen Organisationen abermals zu "Personal" werden dürfen.
Näher anzusehen sind überdies die informellen Ausprägungen dieser Personalentscheidungen, die indirekte, latente und somit nur schwer offen kommunizierbare Funktionen berühren, die deshalb nur geschützt Erwähnung finden, da ansonsten die formale Organisation belastet bzw. beschädigt werden könnte. Man denke nur an Bagatellkündigungen, Weglobungen, Frühstücksposten, Betreuungs- und Qualifizierungsmaßnahmen, die für die Organisation eine Entlastung und für die betroffenen Beschäftigten "alternative Beschäftigung" bedeuten.
Neben grundlegenden organisations- und entscheidungstheoretischen Arbeiten aus der soziologischen Systemtheorie (auch aktuell und empirisch) zum Thema der Entscheidungsprämissen (insbes. Personal) werden einige Texte aus der Betriebswirtschaftslehre (u.a. klassisch Erich Gutenberg und Erich Kosiol), der Rechtswissenschaft (insbes. zum Arbeitsrecht) und der Psychologie (insbes. diagnostische bzw. Eignungspsychologie) hinzugezogen, um einen breiten Zugang zum Personal in Organisationen zu erhalten bzw. verschiedene Beobachtungen der jeweiligen Disziplinen wiederum aus einer dezidiert soziologisch informierten Position zu beobachten.
Darüberhinaus wird auf neuere Entwicklungen im Personalwesen einzugehen sein bzw. neuere Methoden, Stile, Technologien etc., die im Sinne des sog. "Human Resource Management" angeführt werden. Da in jüngerer Zeit häufig auf den ach so erheblichen Wandel der Personalarbeit verwiesen wird und es inzwischen an Ratschlägen nicht fehlt, Personalarbeit "neu zu denken" und "veraltete Strukturen" aufzugeben, soll das Seminar auch eine kritische Prüfung dieser Postulate zur Zukunft des Personals in Organisationen unternehmen. Steht die Personalarbeit wirklich vor einem "radikalen Wandel" ihrer Aufgabe und ihrer Einrichtung; oder müssen Personaler sich mit dem Phänomen der Managementmoden und der Organisationsmythen auseinandersetzen, wollen sie ihre Expertise und Funktion für die Organisation beibehalten? Ein früher Ansatz aus der US-amerikanischen Soziologie (James Thompson) informiert über den Status einer Personalabteilung: Personalabteilungen sind Einheiten zur Gewährleistung der Kerngeschäfte, der eigentlichen Produktionen und Dienstleistungen einer Organisation (zu Deutsch etwa "Gewährleistungseinheiten"). Als solche handeln die Einheiten im Auftrag des Geschäfts, sozusagen des Kernbetriebs, und beziehen ihre Legitimation primär daher, diesem Kernbetrieb gegenüber in ihren Routinen und Praktiken auftragsgerecht zu erscheinen. Welche Folgen hat diese leicht prekäre Stellung mit ihren Abhängigkeiten für das Vermögen der Personalabteilung, sich als nützlich und professionell zu erweisen? Wir werden uns mit den aufgeworfenen Fragen in eine durchaus kontroverse Debatte begeben. Die Neigung, sich hieran zu beteiligen, wird höflich erbeten, was heißt: erwartet.
Zur Vorbereitung wird Sichtung der unten angegebenen Literatur empfohlen.
Termine und Themen
18.10.2019
Schwerpunkt: Einstieg Organisation und (Entscheidungsprämisse) Personal/ökonomische und sozialwissenschaftliche Theorien
15.11.2019
Schwerpunkt: Personalbeschaffung und Personalentwicklung
13.12.2019
Schwerpunkt: Bewerten und Beurteilen: Personal- bzw. Leistungsbeurteilung
17.-18.01.2020
Schwerpunkt: Compliance-Kontrolle und arbeitsrechtliche Aspekte
24.-25.01.2020
Schwerpunkt: Legitimation der Personalabteilung; Managementkonzepte und ihre Folgen; Semesterabschluss/Resümee
Einstiegsliteratur/Überblick (wird im Online-Lernraum ergänzt)
Betriebswirtschaftliche Einführungen zum Personalwesen
Berthel, Jürgen/Becker, Fred G. (2017) Personal-Management. Grundzüge für Konzeptionen betrieblicher Personalarbeit. 11. Aufl. Stuttgart.
Breisig, Thomas (2016): Personal. Grundlagen und Handlungsfelder aus arbeitspolitischer Perspektive Planung, Beschaffung und Auswahl; Führung, Beurteilung und Entwicklung; Arbeitsorganisation. 2. Aufl. Herne.
Soziologische Zugänge
Kühl, Stefan (2007): Die geringe Hebelwirkung von Personalentwicklung. Ein Diskussionsbeitrag. In: Organisationsentwicklung (1), S. 42-45.
Kühl, Stefan (2011): Organisationen. Eine sehr kurze Einführung. Wiesbaden. (darin S. 102-113)
Kühl, Stefan/Schütz, Marcel (2018): Organisationskultur – Verwaltungskultur: eine neue Perspektive auf ein altes Thema. In: PersV - Die Personalvertretung. Fachzeitschrift des gesamten Personalwesens für Personalvertretungen und Dienststellen 61 (8), S. 297-311.
Luhmann, Niklas (1999): Funktionen und Folgen formaler Organisation. 5. Aufl. Berlin. (darin die Kapitel "Mitgliedschaft als Rolle" und "Brauchbare Illegalität")
Luhmann, Niklas (2011): Organisation und Entscheidung. 2. Aufl. Wiesbaden. (darin das Kapitel "Das Personal der Organisation")
Tacke, Veronika/Drepper, Thomas (2018): Soziologie der Organisation. Wiesbaden.
Thompson, James (1967): Organizations in Action. Social Science Bases of Administrative Theory. New York.
Rhythmus | Tag | Uhrzeit | Format / Ort | Zeitraum |
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Modul | Veranstaltung | Leistungen | |
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30-M-Soz-M6a Organisationssoziologie a | Seminar 1 | Studienleistung
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Seminar 2 | Studienleistung
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- | benotete Prüfungsleistung | Studieninformation | |
30-M-Soz-M6b Organisationssoziologie b | Seminar 1 | Studienleistung
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Seminar 2 | Studienleistung
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- | benotete Prüfungsleistung | Studieninformation | |
30-M-Soz-M6c Organisationssoziologie c | Seminar 1 | Studienleistung
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Studieninformation |
Seminar 2 | Studienleistung
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Studieninformation | |
- | benotete Prüfungsleistung | Studieninformation |
Die verbindlichen Modulbeschreibungen enthalten weitere Informationen, auch zu den "Leistungen" und ihren Anforderungen. Sind mehrere "Leistungsformen" möglich, entscheiden die jeweiligen Lehrenden darüber.
Studiengang/-angebot | Gültigkeit | Variante | Untergliederung | Status | Sem. | LP | |
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Studieren ab 50 |
Das Seminar richtet sich an ein vornehmlich soziologisches/sozialwissenschaftliches Publikum.
Betriebs- und rechtswissenschaftlich sowie psychologisch Studierende mit einer Studienvertiefung "Personal", "Arbeitsrecht", "Personalpsychologie" bzw. geeignetem Interesse, können an dem Seminar teilnehmen, insofern sie die Bereitschaft aufbringen, sich mit theoretisch-soziologischen Arbeiten zu befassen.
Zu dieser Veranstaltung existiert ein Lernraum im E-Learning System. Lehrende können dort Materialien zu dieser Lehrveranstaltung bereitstellen: