300832 Feminismus zwischen Kritischer Theorie und Poststrukturalismus (S) (SoSe 2023)

Inhalt, Kommentar

Feminismus zwischen Kritischer Theorie und Poststrukturalismus
Der Disput um Subjektivierung, politische Handlungsfähigkeit und die normativen Grundlagen von Kritik

Für die westliche feministische Theorie bilden sowohl die Kritische Theorie als auch der Poststrukturalismus zentrale Bezugssysteme, die Parallelen aufweisen, aber auch immer wieder in Konflikt miteinander geraten. Schon in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts trugen Seyla Benhabib als Vertreterin der kritischen Theorie, Judith Butler als Ikone des feministischen Poststrukturalismus und Nancy Fraser, die sich um eine Vermittlung beider Ansätze bemühte, diesen Twist in dem Buch „Der Streit um Differenz“ aus. Kernthemen dieser Auseinandersetzung waren die kollektive Identität und Handlungsfähigkeit von Frauen, die normativen Voraussetzungen von Kritik und die Rolle des Diskursiven für die Subjektkonstitution. Auch wenn der Streit um Differenz schon länger zurück liegt, zeigen die aktuellen Debatten um Identitätspolitik und deren Problematisierung, dass die Kontroverse nichts an Aktualität verloren hat

In Anknüpfung an diese Debatte sollen in diesem Seminar kritische und poststrukturalistische Theorien hinsichtlich ihres Potentials für feministische Kritik untersucht und diskutiert werden. Dabei sollen sowohl die Differenzen als auch die Schnittpunkte beider Denktraditionen herausgearbeitet und bewertet werden.

Insbesondere folgende Fragekomplexe sollen dabei leitend sein:

1. Benötigt feministische Kritik universalistisch begründete Normen und eine philosophische Rechtfertigung ihrer Prinzipien? Ist z.B. die Kritik von Machtverhältnissen und Wissenshegemonien ohne Rückgriff auf allgemeingültige Normen überhaupt möglich und sinnvoll? Oder sind Versuche, Normen kontextübergreifend zu begründen, selbst ein zu kritisierendes Herrschaftsprinzip und lassen sich Ungleichheitsverhältnisse auch ohne eine eigene normative Position kritisieren und verändern?

2. Welche Bedeutung haben Differenzen bei der Stiftung und Begründung von (kollektiven) Subjekten, politischer Handlungsfähigkeit und kultureller Anerkennung? Wie werden aus Individuen (kollektive) Subjekte? Welche Rolle spielen dabei die ökonomischen, materiellen und kapitalistischen Strukturen und welchen Part haben kulturelle Anerkennungsformen, Zugehörigkeitsordnungen und die diskursive Produktion von Identitäten und Subjekten? Damit ist auch die Frage nach dem Zusammenspiel und der Gewichtung von verschiedenen Ungleichheitsverhältnissen - wie z.B. der internationalen Arbeitsteilung, der postkolonialen Diskriminierung und der patriarchalen Unterdrückung - verbunden.

3. Welche Formen feministischer Kritik ermöglichen kritische Theorie und Poststrukturalismus? Was die marxistische und Kritische Theorie vor anderen kritischen Gesellschaftsanalysen auszeichnet, ist, dass bei ihr die Maßstäbe und Legitimität der Kritik in den zu kritisierenden Verhältnissen selbst gesucht werden. Während sich interne Kritik mit den in einer Gemeinschaft öffentlich akzeptierten und artikulierten Normen begnügen und externe Kritik auf Bewertungsmaßstäbe zurückgreifen muss, die in der Gemeinschaft keine Grundlage haben, verfährt die Kritik der kritischen Theorie immanent, indem sie ihre Maßstäbe aus den Widersprüchen, Ambivalenzen und Krisen der Gesellschaft selbst gewinnt. Die dekonstruktive Kritik des Poststrukturalismus steht normativen Begründungsversuchen hingegen skeptisch gegenüber, da Normen für sie kontingent, machtabhängig und immer auch ausschließend sind.

4. Wie lässt sich das Verhältnis zwischen universellen und partikularen Rechten und Geltungsansprüchen weiter denken? Schließen sich beide Begründungsmodelle gegenseitig aus oder kann das Universelle im Partikularen und das Partikulare im Universellen aufgespürt werden? Transportieren Frauenbewegung und Feminismus als konkrete Protestbewegungen immer auch einen verallgemeinerbaren Anspruch auf Befreiung, Emanzipation und Selbstbestimmung? Vor dem Hintergrund postkolonialer Kritik wäre in diesem Zusammenhang auch die Frage zu klären, ob die Idee universell gültiger Normen und Rechte durch eine Dekolonialisierung westlicher Wissens-und Normensysteme erneuert und gerettet werden kann.

Kritische Theorie und Poststrukturalismus in ein feministisches Gespräch miteinander zu bringen dient dem Ziel, eine materialistisch-diskursive Gesellschaftsanalyse und -kritik zu artikulieren, welche binäre Gegensätze unterläuft und den komplexen Prozessen der Materialisierung, Repräsentation und Dekonstruktion von kollektiven Identitäten, Normen und Subjektpositionen gerecht zu werden versucht.

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Donnerstag, 6. April 2023 
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S / 2
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Fakultät für Soziologie
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