300170 Theorizing Violence. Studien zu gewaltsamer Vergesellschaftung (2-semestrige, große Lehrforschung) (LEH) (SoSe 2024)

Inhalt, Kommentar

In der Lehrforschung Theorizing Violence werden Sie, der Name ist Programm, selbst forschen. Kurz: Sie werden eine Studie zu einem Phänomen gewaltsamer Vergesellschaftung schreiben, auf das Sie Ihr Erkenntnisinteresse richten möchten. Dabei werde ich Sie eng begleiten.

Die gemeinsame Lehrforschung ist auf zwei Semester angelegt. Im Sommersemester entwickeln wir umsetzbare Forschungsdesigns und beschaffen das erforderliche Untersuchungsmaterial (ich formuliere das mal bewusst breit), um die aufgeworfenen Problemstellungen anzugehen. Dafür diskutieren wir jüngere Studien zu gewaltsamer Vergesellschaftung, um uns Inspirationen für das eigene Arbeiten zu holen, und befassen uns damit, was es forschungspraktisch und methodologisch heißt, Theorizing zu machen – empiriegeladene Theoriearbeit, wenn Sie so wollen. – Im Wintersemester 2024/25 arbeiten Sie Ihr soziologisches Argument zu der von Ihnen verfolgten Problemstellung aus und schreiben eine Studie, die sich am Modell des wissenschaftlichen Fachartikels orientiert. – Didaktisch ist die Lehrforschung daher sowohl als intensiver Arbeits- und Beratungskontext für eigene Forschungsarbeiten angelegt als auch als Lektüreseminar und Schreibwerkstatt. Dabei werden wir uns immer wieder auch mit empirischen Materialien zu historischen und aktuellen Gewaltphänomenen auseinandersetzen.

Die Studien, die wir unternehmen werden, sind gewissermaßen dringend nötig. Über die vergangenen Jahrzehnte hinweg betrachtet gab es diverse Initiativen und Bewegungen, mitunter auch Einzelstimmen, die einforderten, leidvolle Erfahrungen des leiblichen Verletzens und Verletztsein als Gewalt zu betrachten und anzuerkennen. Sie kulminieren in jüngerer Zeit in vielfältigen und vielstimmigen gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen. Im Kern drehen sich diese Konflikte um die Frage, in welchen und wie vielen Hinsichten soziale Beziehungsgeflechte, Identitäten, Sprachformen, Deutungsmuster oder Tabus gewaltsam (ko-)konstituiert sind. Missbrauch in den Kirchen, Gewalt in der Geburtsmedizin oder institutionelle Ignoranzen in der Würdigung von Opfern neonazistischer Attacken können hier stellvertretend, aber keinesfalls erschöpfend für die mannigfaltigen Manifestationen des Gewaltsamen stehen, die hier zu nennen wären. – Die moderne Selbsterzählung, dass die gesellschaftlichen Verhältnisse seit vielen Jahrzehnten zumindest in der OSZE-Welt weitgehend gewaltfrei sind, verfängt somit schlicht nicht mehr. Die sozialwissenschaftliche Gewaltforschung hatte schon insbesondere in den 1990ern gemahnt, aus einem „Traum der gewaltfreien Moderne“ (Hans Joas) aufzuwachen, und sich in diesem Zuge selbst neu formiert. Das Antun und Erleiden von Gewalt rückte stärker in den Fokus. Wie sich Gewalt konkret ereignet, ergänzt seither als bedeutsame Forschungsperspektive die klassischen Fragen nach der Legitimation von Gewalt (und ihres ordnungsstiftenden Charakters) sowie nach Gewaltursachen. Eine zentrale Einsicht dieser heute als „Neuere Gewaltsoziologie“ bezeichneten Unternehmung bestand schon seinerzeit darin, die Allgegenwärtigkeit von Gewaltsamkeiten hervorzuheben. – Weitgehend unbeachtet blieb dagegen, wie umstritten es schon damals war und bis heute ist, vielerlei Erfahrungen des Verletzens und Verletztseins als gewaltsam zu begreifen und anzuerkennen. Wissenschaftliche Untersuchungen der hier interessierenden Phänomene (Missbrauch in den Kirchen, obstetrische Gewalt oder institutionelle Blindheiten für rechte Gewalt habe ich exemplarisch genannt) sind zwar im vollen Gange. Für die soziologische Theoriearbeit gibt es jedoch noch Einiges zu tun, darunter z.B. die grundlegende Frage nach den gesellschaftsgestaltenden Aspekten sowohl alltäglicher als auch spektakulärer Gewaltsamkeit. Hier setzt die Lehrforschung an. Dafür werden wir primär nach dem Wie gewaltsamer Vergesellschaftung fragen und Warum-Fragen sowie Was-ist-Fragen vorläufig zurückstellen.

SCHREIBWERKSTATT: DISKUSSIONSPAPIER UND FORSCHUNGSDESIGN

Im Lauf des Semesters werden wir immer wieder Schreibwerkstatt-Anteile in die Lehrforschung integrieren, zumal Sie ja die Aufgabe haben, ein Diskussionspapier und ein Forschungsdesign zu verfassen, um mit Ihrer eigenen Studie voranzukommen. Der Schreibwerkstatt-Charakter der Lehrforschung dient also dazu, das Verfassen wissenschaftlicher Texte zu diskutieren und vorzubereiten. Daher werden wir über Tipps, Tricks und Schwierigkeiten sprechen, die mit dem wissenschaftlichen Schreiben verbunden sind, und nach und nach beginnen, an eigenen Studien zu arbeiten.

Gerne können Sie die Veranstaltung auch nutzen, um ein Konzept für Ihre Masterarbeit zu entwickeln.

VORBEREITENDE LEKTÜRE FÜR UNSERE SITZUNGEN

Das gemeinsame Arbeiten in der Lehrforschung basiert darauf, dass alle Beteiligten sich mit der vorbereitenden Lektüre zu den jeweiligen Sitzungen befasst haben. Gleichzeitig ist es eine ausgesprochene Zumutung, Texte zu lesen, die andere für einen ausgesucht haben. Das ist mir völlig klar. Doch zählen gemeinsame Lektüren zu den besten Grundlagen, um sich mit komplizierten Vorgängen und Sachverhalten zu befassen, sie analytisch zu durchdenken und eine eigenständige, selbstbewusste Position zu den Dingen zu entwickeln. Geben Sie den Texten daher bitte eine faire Chance. Sie haben es verdient.

Falls es Ihnen vor der Sitzung – aus welchen Gründen auch immer – nicht gelingt, die betreffenden Texte vorzubereiten, kommen Sie bitte auf keinen Fall in die Veranstaltung. Sie werden nichts davon haben. Gehen Sie lieber Kaffee trinken oder ins Schwimmbad.

Teilnahmevoraussetzungen, notwendige Vorkenntnisse

Sie sollten sich in Ihrem Studium schon einmal mit dem ein oder anderen soziologischen Argument befasst haben. Noch wichtiger ist jedoch eine grundsätzliche Lese- uund Diskussionsbereitschaft, die Sie mitbringen sollten.

Lehrende

Termine ( Kalendersicht )

Rhythmus Tag Uhrzeit Format / Ort Zeitraum  
wöchentlich Mi 14-18 U2-228 08.04.-19.07.2024
nicht am: 01.05.24

Fachzuordnungen

Modul Veranstaltung Leistungen  
30-M-Soz-M2_LF2 Lehrforschung in Soziologischer Theorie Alternativ zu Seminar 1 und Seminar 2: großes Seminar Studienleistung
Studieninformation

Die verbindlichen Modulbeschreibungen enthalten weitere Informationen, auch zu den "Leistungen" und ihren Anforderungen. Sind mehrere "Leistungsformen" möglich, entscheiden die jeweiligen Lehrenden darüber.


Im Sommersemester 2024 schreiben Sie ein Forschungsdesign für eine eigene Studien, wobei ich Sie eng begleite. Außerdem beginnen Sie (im Zuge dessen) damit, an einer eigenen Studie zu schreiben, die Sie im Wintersemester 2024/25 fertig stellen. Dabei orientieren wir uns am Modell des wissenschaftlichen Fachartikels.

Lernraum (E-Learning)

Zu dieser Veranstaltung existiert ein Lernraum im E-Learning System. Lehrende können dort Materialien zu dieser Lehrveranstaltung bereitstellen:

registrierte Anzahl: 11
Dies ist die Anzahl der Studierenden, die die Veranstaltung im Stundenplan gespeichert haben. In Klammern die Anzahl der über Gastaccounts angemeldeten Benutzer*innen.
Adresse:
SS2024_300170@ekvv.uni-bielefeld.de
Lehrende, ihre Sekretariate sowie für die Pflege der Veranstaltungsdaten zuständige Personen können über diese Adresse E-Mails an die Veranstaltungsteilnehmer*innen verschicken. WICHTIG: Sie müssen verschickte E-Mails jeweils freischalten. Warten Sie die Freischaltungs-E-Mail ab und folgen Sie den darin enthaltenen Hinweisen.
Falls die Belegnummer mehrfach im Semester verwendet wird können Sie die folgende alternative Verteileradresse nutzen, um die Teilnehmer*innen genau dieser Veranstaltung zu erreichen: VST_459481949@ekvv.uni-bielefeld.de
Reichweite:
11 Studierende direkt per E-Mail erreichbar
Hinweise:
Weitere Hinweise zu den E-Mailverteilern
E-Mailarchiv
Anzahl der Archiveinträge: 5
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Letzte Änderung Grunddaten/Lehrende:
Mittwoch, 14. Februar 2024 
Letzte Änderung Zeiten:
Mittwoch, 14. Februar 2024 
Letzte Änderung Räume:
Mittwoch, 14. Februar 2024 
Art(en) / SWS
LEH / 4
Einrichtung
Fakultät für Soziologie
Fragen oder Korrekturen?
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ID
459481949