Die Zeit um 1500 gilt als Epochenmarker und ist in der Forschung wiederholt mit der Abgrenzung von Mittelalter und Früher Neuzeit in Verbindung gebracht worden. Der Epochenwandel zeigt sich nicht zuletzt in Bezug auf die literarische Großform des Romans: Schrieb man Romane seit der Mitte des 12. Jahrhunderts in Reimpaarversen, so wird nun die Prosa mehr oder weniger verbindlich – daher die etwas sperrige Bezeichnung 'Prosaroman'. Auch neue Stoffe finden ihren Weg in die deutsche Literatur, so etwa der herrscherlich-dynastisch geprägte um die geheimnisvolle Fee Melusine und ihrer Nachkommenschaft, den Thüring von Ringoltingen nach französischer Vorlage bearbeitete (1456, Druck: 1474), oder jener der 'Schönen Magelone' Veit Warbecks (1527, Druck: 1535), der von zwei Liebenden, ihrer Trennung und Wiedervereinigung nach langer abenteuerreicher Odyssee handelt. Ohne Vorlage entsteht 1509 der 'Fortunatus', der um Fragen nach Glück, Geld und Reisetätigkeit kreist und damit kaufmännisch-bürgerlichen Interessen entgegenkommt. Er gilt als "erster […] deutscher Originalroman in Prosa" (Wehrli). Im Seminar wollen wir uns die drei genannten Texte als Vertreter der Gattung 'Prosaroman' in vergleichender Analyse erschließen. Fragen wollen wir, wie sich das neuartige Erzählen in Prosa beschreiben lässt, wobei wir uns vor allem mit der narrativen Ausgestaltung der Erzähler- und Figurenrede sowie der Darstellung von Raum und Zeit beschäftigen werden. Fragen wollen wir aber auch nach der medialen Vermittlung des Erzählten (Handschrift – Druck, Text-Bild-Bezüge). Abschließend werden wir versuchen, den Status des Prosaromans zwischen mittelalterlichem und neuzeitlichem Roman zu bestimmen.
Textausgabe:
Romane des 15. und 16. Jahrhunderts. Nach den Erstdrucken mit sämtlichen Holzschnitten. Hrsg. von Jan-Dirk Müller. Frankfurt a.M. 1990 (Bibliothek der frühen Neuzeit 1/Bibliothek deutscher Klassiker 54).
Die Texte werden zu Beginn des Semesters im Lernraum zur Verfügung gestellt.
Zur Einführung:
- Bertelsmeier-Kierst, Christa: Erzählen in Prosa. Zur Entwicklung des deutschen Prosaromans bis 1500. In: ZfdA 143 (2014), S. 141–165.
- Klein, Dorothea: Wann endet das Spätmittelalter in der Geschichte der deutschen Literatur? In: Forschungen zur deutschen Literatur des Spätmittelalters. FS für Johannes Janota. Hrsg. von Horst Brunner und Werner Williams-Krapp. Tübingen 2003, S. 299–316.
- Müller, Jan-Dirk: Volksbuch/Prosaroman im 15./16. Jahrhundert. Perspektiven der Forschung. In: IASL (1. Sonderheft: Forschungsreferate). Tübingen 1985, S. 1–128.
- Ders.: Art. 'Prosaroman'. In: RLW 3 (2003), S. 174–177.
Rhythmus | Tag | Uhrzeit | Format / Ort | Zeitraum |
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Modul | Veranstaltung | Leistungen | |
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23-GER-BasLit_ver1 Basismodul Literaturwissenschaft: Historische Aspekte der Literatur: Epochen und Epochenumbrüche | Seminar zur deutschen Literaturgeschichte | Studienleistung
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Studieninformation |
Die verbindlichen Modulbeschreibungen enthalten weitere Informationen, auch zu den "Leistungen" und ihren Anforderungen. Sind mehrere "Leistungsformen" möglich, entscheiden die jeweiligen Lehrenden darüber.