Das interdisziplinäre Seminar konzentriert sich auf die Literatur und Zeitgeschichte zwischen „1968“ und der verschärften Konfrontation der beiden hegemonialen Machtblöcke in den 1980ern. Diese historische Phase erscheint noch heute vielen Zeitzeugen wie dem Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger als „Tumult“: So lautet der Titel seiner 2014 erschienenen Erinnerungen. Schon der Titel signalisiert, dass die Ereignisse und Dokumente dieses Zeitraums für ihn immer noch keine abgeschlossene Geschichte darstellen, auf die man abgeklärt zurückschauen kann. Diese Vergangenheit ist auf eine Art und Weise gegenwärtig, die man als unklar und ungewiss bezeichnen muss. In seinem Gedicht „Andenken“ wird dies deutlich zum Ausdruck gebracht:
„Also was die siebziger Jahre betrifft,
kann ich mich kurz fassen.
Die Auskunft war immer besetzt.
Die wundersame Brotvermehrung
beschränkte sich auf Düsseldorf und Umgebung.
Die furchtbare Nachricht lief über den Ticker,
wurde zur Kenntnis genommen und archiviert.
Widerstandslos, im großen und ganzen,
haben sie sich selber verschluckt,
die siebziger Jahre,
ohne Gewähr für Nachgeborene, Türken und Arbeitslose.
Daß irgendwer ihrer mit Nachsicht gedächte, wäre zuviel verlangt.“
Auch andere deutsche Autoren haben die 1970er als das „diffuseste der Nachkriegsjahrzehnte“ (Reinhart Baumgart) bezeichnet. Diesen Eindruck vermitteln ungewollt ebenso die Literaturgeschichten von Schnell (1993), Briegleb/Weigel (1992) und Barner (1994). Die literaturwissenschaftlichen Verortungen sind immer noch auf das Paradigma „Nachkriegsliteratur“ fixiert. Gegen diese Interpretation sollen in diesem Seminar
Die ausgewählten literarischen Werke auf eine andere, umfassendere Weise gelesen werden, denn in dieser Zeit treten ganz unterschiedliche literarischen Konzepte von ‚Gegenwärtigkeit‘ in den Vordergrund, die sich insgesamt vom Zeitparadigma der ‚klassischen‘ Nachkriegsmoderne entfernen. Nicht unerheblich ist es, dass sich in den 1970ern in der DDR-Literatur analoge Tendenzen abzeichnen.
Als in der Gegenwart zu erinnernde Vergangenheit anerkannt wurde ein Ereignis der 1970er Jahre, in dem sich viele Geschichten bündelten: der Kniefall Willy Brandts in Warschau. Er eröffnete eine neue Epoche der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, die literarisch flankiert wurde durch Werke, die eine Epochenbilanz der Nachkriegszeit zogen (Böll, Grass, Johnson, Weiss) und eine erinnerungspolitische Wende in Deutschland einleiteten.
Die Erfassung des Verhältnisses von Literatur und Gegenwart in den 1970er Jahren wäre jedoch nicht hinreichend charakterisiert, blendete die Analyse den Einfluss der damals so genannten „Dritten Welt“ auf die Selbstwahrnehmung und Selbstbeschreibung deutscher und europäischer Künstler, Schriftsteller und Intellektueller aus. Das ist der dritte Schwerpunkt des Seminars.
Im Zentrum steht die übergreifende Frage nach der Zeitdiagnose der damaligen Akteure (der Schriftsteller und Wissenschaftler, insofern sie als Intellektuelle in Erscheinung traten). Welche Theoriekonzepte wurden vorgelegt? Welche Kontroversen wurden ausgetragen? Wie agierten und reagierten Literatur und Essayistik?
Raulff, Ulrich: Wiedersehen mit den Siebzigern. Die wilden Jahre des Lesen, ORT 2014.
Enzensberger, Hans Magnus: Tumult, Berlin 2014.
Briegleb, Klaus / Weigel, Sigrid (Hrsg.): Gegenwartsliteratur seit 1968. Hanser Sozialgeschichte der deutschen Literatur vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Band 12, München 1992.
Barner, Wilfried (Hrsg.): Geschichte der deutschen Literatur von 1945 bis zur Gegenwart, München 1994.
Schnell, Ralf: Geschichte der deutschsprachigen Literatur seit 1945, Stuttgart u. Weimar 1993.
Rhythmus | Tag | Uhrzeit | Format / Ort | Zeitraum |
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Modul | Veranstaltung | Leistungen | |
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22-3.2 Hauptmodul Moderne
3.2.7 |
Seminar Moderne | Studienleistung
benotete Prüfungsleistung |
Studieninformation |
23-GER-PLit2 Gegenwartsliteratur und Medien | Veranstaltung 1 (mit Modulprüfung) | Studienleistung
benotete Prüfungsleistung |
Studieninformation |
Veranstaltung 2 | Studienleistung
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Studieninformation | |
23-GER-PLit3 Autoren, Werke, Diskurse | Veranstaltung 1 (mit Modulprüfung) | Studienleistung
benotete Prüfungsleistung |
Studieninformation |
Veranstaltung 2 | Studienleistung
|
Studieninformation |
Die verbindlichen Modulbeschreibungen enthalten weitere Informationen, auch zu den "Leistungen" und ihren Anforderungen. Sind mehrere "Leistungsformen" möglich, entscheiden die jeweiligen Lehrenden darüber.
Studiengang/-angebot | Gültigkeit | Variante | Untergliederung | Status | Sem. | LP | |
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Germanistik / Master of Education | (Einschreibung bis SoSe 2014) | BaGerP2L; BaGerP2S | 2/5 | ||||
Germanistik (GHR) / Master of Education | (Einschreibung bis SoSe 2014) | BaGerP2L; BaGerP2S | 2/5 | ||||
Geschichtswissenschaft (G) / Master of Education | (Einschreibung bis SoSe 2014) | 3.4.7 | Wahlpflicht | 8 | scheinfähig | ||
Geschichtswissenschaft (Gym/Ge) / Master of Education | (Einschreibung bis SoSe 2014) | 3.2.7 | 8 | ||||
Geschichtswissenschaft (HR) / Master of Education | (Einschreibung bis SoSe 2014) | 3.6.7 | Wahlpflicht | 8 | scheinfähig | ||
Studieren ab 50 |
Interdisziplinäres, integriertes Seminar.
Jeder Teilnehmer /jede Teilnehmerin übernimmt eine Präsentation /ein Referat (auch in Arbeitsgruppen möglich) über ein Sitzungsthema.
Die Gespräche im Plenum sind ein zentrales Element der Lernkultur in germanistischen und geschichtswissenschaftliche Seminaren. Sie fördern wichtige Erkenntnisse zutage, führen zu Differenzierungen und helfen dabei, die Reflektionsfähigkeit zu entwickeln. Deshalb kann ein unentschuldigtes Fehlen nicht als ‚aktive Teilnahme‘ verbucht werden und führt zum Ausschluss aus Seminar und Übung.
Für HistorikerInnen: Seminar plus Historische Orientierung (bzw. Übung). Die Teilnahme an der Historischen Orientierung (bzw. Übung) setzt die Teilnahme am Seminar voraus.