300451 Hegel und die Perspektiven kritischer Theorien (MA) (S) (WiSe 2021/2022)

Das Hegel-Bild ist bis in die Gegenwart hinein ausgesprochen ambivalent. So gilt er einerseits als einer der schwierigsten Autoren der Philosophiegeschichte, andererseits übt Hegels Denken bis heute eine große Inspirationskraft aus. Verdankt sich ein Großteil von Hegels anhaltender Bedeutung der Rezeption seiner Philosophie in unterschiedlichen Ansätzen kritischer Theorien, so erscheint er doch, insbesondere mit Blick auf seine Rechtsphilosophie, immer wieder als konservativer preußischer Staatsphilosoph, dessen Theorie der bürgerlichen Gesellschaft aber auch als eine Analyse und Kritik der entstehenden Klassengesellschaft gelesen wird. Hegels Geschichtsphilosophie weist rassistische Motive auf, sein Frauenbild ist durch einen philosophisch nur schlecht kaschierten Machismo geprägt, gleichzeitig rekurrieren Autor*innen, die, wie Jacques Derrida oder Judith Butler, für postkoloniale bzw. gendertheoretische Diskurse von großer Bedeutung sind, an entscheidenden Stellen immer wieder auf Hegel.

Das als Lektürekurs angelegte Seminar geht diesen Ambivalenzen in Hegels eigenen Texten und in der Hegel-Rezeption in verschiedenen kritischen Theorien nach, um das anhaltende Faszinosum Hegels und die Perspektiven kritischen Denkens auszuleuchten. Wer an diesem Seminar teilnimmt, sollte sich vorher vor Augen führen, dass die Auseinandersetzung mit Hegel ein großes Durchhaltevermögen und eine hohe Lesebereitschaft erfordert.
Trotzdem richtet sich das Seminar keineswegs an Hegel-Expert*innen, sondern an alle, die an diesem Themenfeld interessiert sind und die nicht davor zurückscheuen, dass man bei Hegel, wie Adorno (selbst nicht gerade ein leicht zugänglicher Autor) in seinen Drei Studien zu Hegel einmal festhielt, „buchstäblich zuweilen nicht weiß und nicht bündig entscheiden kann, wovon überhaupt geredet wird“.
Das Seminar wird derzeit als Hybrid-Seminar geplant. Über die genaue Durchführung kann erst zu Semesterbeginn nach Einschätzung der Pandemielage und der Lebenssituation (u.a. Wohnort) der Teilnehmenden entschieden werden. Die ersten drei Sitzungen werden in jedem Fall online stattfinden, um das weitere Vorgehen gemeinsam zu besprechen und die Konsolidierung eines festen Teilnehmer*innenkreises abzuwarten.