Inschriften stellen (neben den dokumentarischen Papyri) die einzigen authentischen, d.h. nicht durch einen komplizierten Überlieferungsprozess beeinflussten schriftlichen Zeugnisse aus der Antike dar. Sie sind aber in vielen Fällen mehr als das, nämlich Monumente, die einst nicht nur als Texte, sondern auch durch ihre Gestaltung, ihren Kontext und ihren Aufstellungsort wirken sollten; das gilt etwa für die Bauinschriften auf der Trajanssäule oder dem Konstantinsbogen. Von vielen Phänomenen und Ereignissen haben wir ausschließlich durch Inschriften Kenntnis; das betrifft besonders das ‚private’ Leben, die Religion, die Wirtschaft und die Administration des Römischen Reiches. So kennen wir z.B. die vollständige Titulatur des römischen Kaisers nur aus Inschriften (und verkürzt aus Münzlegenden, die auch Inschriften sind). Die weitaus meisten Römer, die in der Kaiserzeit irgendeine öffentliche Funktion hatten, kennen wir nur aus solchen Monumenten. Heute sind weit mehr als 300 000 lateinische Inschriften aus der Antike bekannt. Etwa zweitausend Neufunde und neue Lesungen bereits bekannter Inschriften bereichern jedes Jahr den Bestand.
Die Mitte des 19. Jhs. initiierte, auf genaue Dokumentation und Vollständigkeit zielende Sammlung der lateinischen Inschriften, das „Corpus Inscriptionum Latinarum“, war unter der Ägide von Theodor Mommsen (1817–1903) ein Markstein auf dem Weg zu wissenschaftlichen Erforschung der antiken Geschichte.
Wir werden in der Übung Inschriften aus den meisten Kategorien lesen, von sehr einfachen Grab- und Weihinschriften bis hin zu repräsentativen Texten, die für sich stehen und hermeneutisch, nicht nur seriell interpretiert werden können. Zu letzteren gehört die „Königin der Inschriften“, das sog. Monumentum Ancyranum mit dem Tatenbericht (Res Gestae) des Augustus (den wir wegen seiner Länge und inhaltlichen Kompexität ausklammern werden), aber auch die auf Bronze teilweise erhalten gebliebene Rede des Kaisers Claudius für das Recht der gallischen Eliten, sich um einen Sitz im römischen Senat zu bemühen.
Die Lektüre ist auch für Studierende der Lateinischen Philologie von hohem Interesse, denn Inschriften spielen inzwischen auch im Lateinunterricht eine wichtige Rolle. Überdies können besonders für Latinisten interessante Texte gelesen werden, z.B. über die Laufbahn und Stiftung des Jüngeren Plinius (ILS 2927).
Mit Blick auf eine für 2022 angedachte Exkursion nach Rom werden antike Inschriften in der Stadt einen Schwerpunkt bilden; sie sind museal in den Diokletiansthermen versammelt; s. Rosanna Friggeri u.a. (a cura di), Terme di diocleziano. La collezione epigrafica, Milano 2012.
Gelesen werden lateinische Texte, überwiegend aus der umfassenden und praktischen Auswahlsammlung von Dessau (s.u.). Diese wird im Lernraum zur Verfügung gestellt. Ferner sollten zur Hand sein: eine systematische lateinische Grammatik (z.B. Rubenbauer/Hofmann/Heine) sowie ein wissenschaftliches lateinisches Wörterbuch (Georges; Oxford Latin Dictionary).
Die Veranstaltung findet nach jetzigem Stand in physischer Präsenz in der Universität statt. Wer sich darauf nicht einlassen möchte, sei auf die Lateinlektüre von Frau Neumann (Kirchliche Gebrauchstexte im Mittelalter) verwiesen
Brauchbare Lateinkenntnisse auf dem Niveau eines Latinum
Gute kürzere Einführungen: Werner Eck, Lateinische Epigraphik, in: Fritz Graf (Hg.), Einleitung in die Lateinische Philologie, Stuttgart/Leipzig 1997. 92-111; Leonhard Schumacher, Römische Inschriften. Lateinisch/Deutsch, Stuttgart (Reclam) 1988, 7-37; Ernst Meyer, Einführung in die lateinische Epigraphik, Darmstadt 1973; Manfred G. Schmidt, Einführung in die lateinische Epigraphik, Darmstadt 2004. Ausführlicher: Alison E. Cooley, The Cambridge Manual of Latin Epigraphy, Cambridge 2012.
Auswahlsammlungen: Hermann Dessau, Inscriptiones Latinae Selectae (ILS). 3 Bände in 5, Berlin 1892–1916 (einsprachig, mit kurzem Kommentar); Schumacher, Römische Inschriften (s.o.; mit Übersetzung und kurzen Erläuterungen); Gerold Walser, Römische Inschrift-Kunst, Stuttgart 2. Auf. 1993 (mit sehr guten Fotos der Inschriften).
Rhythmus | Tag | Uhrzeit | Format / Ort | Zeitraum |
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Modul | Veranstaltung | Leistungen | |
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22-2.1 Theoriemodul | Übung Sprache | Studienleistung
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Studieninformation |
22-2.2_a Methodikmodul | Übung Sprache | Studienleistung
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Studieninformation |
Die verbindlichen Modulbeschreibungen enthalten weitere Informationen, auch zu den "Leistungen" und ihren Anforderungen. Sind mehrere "Leistungsformen" möglich, entscheiden die jeweiligen Lehrenden darüber.
Zu erbringen sind zwei bis drei Studienleistungen, etwa: Vorbereitung und Leitung der gemeinsamen Erarbeitung eines Textes; Referat eines wiss. Aufsatzes; informierendes Kurzreferat.
In jedem Fall werden regelmäßige Teilnahme und häusliche Vorbereitung der Übersetzung erwartet.
Zu dieser Veranstaltung existiert ein Lernraum im E-Learning System. Lehrende können dort Materialien zu dieser Lehrveranstaltung bereitstellen: