Die "klassische" Kontroverse über den Ersten Weltkrieg kreiste um die Kriegsschuldfrage. Die Abwehr der alliierten These von der deutschen Kriegsschuld beschäftigte nach 1918 eine ganze deutsche Historikergeneration, und in den 1960er Jahren spaltete die Wiederaufnahme der Kriegsschuldfrage durch Fritz Fischer die bundesdeutsche Historikerschaft. Von damals bis heute prägte die "Fischer-Kontroverse" nicht zuletzt auch eine Generation deutscher Geschichtslehrer, die diese oft zum Angelpunkt einer kritischen Revision der gesamten neueren deutschen Geschichte machten. Die Wissenschaft hat das Thema im Laufe der Zeit liegengelassen. Heute, eine Generation danach, lohnt sich die Frage, wie sich die Fischer-These im Lichte neuerer Forschungen zur Sozial- und Mentalitätengeschichte und auch zur Politik der damaligen Gegner des Deutschen Reiches darstellt. Wie tief war der Drang zum großen Krieg in der deutschen Mentalität, Gesellschaft und Geschichte verwurzelt; in welchem Maße haben damals auch Serbien, Rußland und Frankreich ganz bewußt mit dem Feuer gespielt ? Wieweit läßt sich der Weltkrieg aus "dem" Imperialismus herleiten ? Wieweit war die Furchtbarkeit dieses Krieges vor 1914, so etwa in damaliger futuristischer Literatur, vorhersehbar ? Aber noch andere Themen, die zeitweise in den Schatten der Fischer-Kontroverse gerieten, verdienen stärkere Beachtung: Wie wurde die Kriegserfahrung von den Beteiligten verarbeitet, und wie wirkte sie sich längerfristig auf Ideologien und Mentalitäten aus ? In welcher Weise beeinflußten die revolutionären Vorgänge in Deutschland 1918/19 die Friedensbedingungen von Versailles ? Gab es verpaßte Chancen zu einem dauerhafteren Frieden ? Bedeutet der Erste Weltkrieg eine Epochenscheide auch in der Wirtschafts-, Technik- und Umweltgeschichte ? Wieweit sind die derzeit verfügbaren Schulbücher auf dem neuesten Stande der Forschung ? Wie lassen sich neue Arten der Aktualisierung dieses Themenfeldes vorstellen ?
Die Ur-Katastrophe des 20. Jahrhunderts, = SPIEGEL special 1/2004. Wolfgang Michalka (Hrsg.): Der Erste Weltkrieg. Wirkung, Wahrnehmung, Analyse, München 1994. Ernst W. Graf Lynar (Hrsg.): Deutsche Kriegsziele 1914-1918, Frankfurt 1964 ("klassische" Texte zur Fischer-Kontroverse). Imanuel Geiss Der lange Weg in die Katastrophe. Die Vorgeschichte des Ersten Weltkriegs 1815-1914, München 1990. Ulrich Heinemann: Die verdrängte Niederlage. Politische Öffentlichkeit und Kriegsschuldfrage in der Weimarer Republik, Göttingen 1983. Friedrich Kießling: Wege aus der Stringenzfalle. Die Vorgeschichte des Ersten Weltkriegs als "Ära der Entspannung", in: GWU 5-6/2004, S. 284-304 (wird vervielfältigt). Joachim Radkau: Das Zeitalter der Nervosität, München (TB-Ausgabe) 2000, S. 442-478. Ders.: Technik in Deutschland, Frankfurt 1989, S. 239-253 (Die unvollkommene Technisierung des Krieges, die "Quasi-Dolchstoßlegende" der Techniker und das Blitzkriegskonzept) (wird vervielfältigt).
Frequency | Weekday | Time | Format / Place | Period |
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Degree programme/academic programme | Validity | Variant | Subdivision | Status | Semester | LP | |
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Geschichte / Lehramt Sekundarstufe I | D1; D2 | Wahlpflicht | HS | ||||
Geschichte / Lehramt Sekundarstufe II | D1; D2 | Wahlpflicht | HS | ||||
Geschichtswissenschaft / Bachelor | (Enrollment until SoSe 2011) | Kern- und Nebenfach | 2.5.1; 2.9.1; 2.8.1 | Wahlpflicht | 4 | benotet |