300028 Handlungstheorie (S) (WiSe 2006/2007)

Inhalt, Kommentar

Vorbemerkung

Seit Anfang der 80er Jahre ist die Zahl der Veröffentlichungen, die für den Gebrauch von Handlungstheorien, u.a. der Rational Choice-Theorie, plädieren, exponentiell angestiegen. Zu nennen sind hier u.a. die Arbeiten von Coleman, Esser, Lindenberg, Opp und Blossfeld. Wenngleich auch heute noch im Detail verschiedene Versionen dieses Ansatzes existieren, lassen sich doch Gemeinsamkeiten aufzeigen, die diesen Ansatz auch für eine dynamische Sozialstukturanalyse prädestinieren.

1. In wissenschaftstheoretischer Hinsicht plädiert dieser Ansatz dafür, das von Max Weber formulierte Postulat ernst zu nehmen, dass es die besondere Aufgabe der Sozialwissenschaften sei, soziales Handeln sowohl deutend zu verstehen als auch ursächlich zu erklären.
2. Mit Bezug auf die Diskussion über die Strukturen einer Gesellschaft, ihrer Entstehung, Reproduktion und ihrem Wandel wird eine Mehr-Ebenen-Analyse angestrebt, die strukturelle Anfangsbedingungen auf der Makroebene in Beziehung setzt zur Mikroebene des individuell Handelnden und die beabsichtigten und nichtbeabsichtigten Folgen der individuellen Handlungen auf der Makroebene untersucht. Untersuchungsgegenstand sind damit letztlich Unterschiede bzw. Veränderungen auf der Makroebene sozialer Strukturen, die aus individuellen Handlungen unter Berücksichtigung bestimmter Transformationsregeln erklärt werden, wobei die Handlungen ihrerseits sinnhaft an vorgegebenen bzw. zu erwartenden situativen Strukturen orientiert sind.
3. Mit Bezug auf die individuelle Ebene der Akteure wird unterstellt, daß das individuelle Handeln insgesamt, nicht das jedes einzelnen, durch ein Modell der rationalen Wahl beschrieben werden kann, nach dem die Akteure den subjektiv erwartbaren Nutzen (Erwartungen und Bewertungen) ihrer Handlungsmöglichkeiten mit Bezug auf die situativ strukturell vorgegebenen Optionen und Restriktionen maximieren.
4. Verlangt wird eine zeitdynamische Analyse, die angesichts dessen, daß Gesellschaft sich ständig wandelt, die jeweiligen strukturellen Anfangsbedingungen formuliert, die zu Beginn einer Untersuchung (auch bei retrospektiver Betrachtung) vorliegen, die Zeitdauer des untersuchten Phänomens berücksichtigt und die strukturellen Endzustände der Untersuchungsperiode benennt.

Veranstaltungsplan

19.10.

Vorbesprechung:
Inhaltliche Einführung, Veranstaltungsplanung, Absprache der Scheinanforderungen

26.10.

Anforderungen an soziologische Theorien: Deskription, Erklärung, Prognose

Hartmut Esser, Kapitel 3 Soziologische Forschungsfragen: Fünf Beispiele, und Kapitel 4 Die Logik der Erklärung, in: Ders.: Soziologie. Allgemeine Grundlagen, Frankfurt, New York 1993, S. 31-63; Carl G. Hempel, Paul Oppenheim, Studies in the Logic of Explanation, in: Philosophy of Science, 15 (1948), S. 135-175; Carl G. Hempel, Gesetze und ihre Rolle bei wissenschaftlichen Erklärungen, in: Ders, Aspekte wissenschaftlicher Erklärungen, Berlin/New York 1977, S. 69-99

02.11.

Die Grundstruktur soziologischer Erklärung nach dem R-C-Ansatz

Hartmut Esser, Kapitel 5 Soziologische Analysen: Die fünf Beispiele noch einmal, Kapitel 6 Die Grundstruktur soziologischer Erklärung, Kapitel 7 Die Modellierung sozialer Prozesse, in: Ders.: Soziologie. Allgemeine Grundlagen, Frankfurt, New York 1993, S. 65-140; James S. Coleman, Grundlagen der Sozialtheorie, München, Wien 1995, S. 1-29

09.11.

Modelle des Menschen: homo sociologicus, homo oeconomicus
und das RREEMM-Modell

Hartmut Esser, Abschnitt D Modelle des Menschen (Kap. 13-15), in: Soziologie. Allgemeine Grundlagen, Frankfurt, New York 1993, S. 217-250; Sigwart Lindenberg, Homo Socio-oeconomicus: the Emergence of a General Model of Man in the Social Sciences, in: Journal of Institutional and Theoretical Economics 146 (1990), S. 727-748

16.11.

Zur Logik der Situation I: Situationsanalyse

Hartmut Esser, Kap. 1 Situation und Situationsanalyse, Kap. 2 Das Thomas-Theorem, Kap. 3 Die Objektivität der Situation, in: Ders.: Soziologie. Spezielle Grundlagen. Band 1: Situationslogik und Handeln, Frankfurt/New York 2000, S.29-114.

23.11.

Zur Logik der Situation II: Interesse und Kontrolle

Hartmut Esser, Kap. 4 Interesse und Kontrolle, Kap. 5 Die Definition der Situation, in: Ders.: Soziologie. Spezielle Grundlagen. Band 1: Situationslogik und Handeln, Frankfurt/New York 2000, S.125-169; James S. Coleman, Kap. 2 Akteure und Ressourcen, Interesse und Kontrolle, in: Ders., Grundlagen der Sozialtheorie, Bd. 1, München/Wien 1995, S. 33-55

30.11.

Zur Logik der Situation III: Brückenhypothesen

Hartmut Esser, Why are Bridge Hypotheses Necessary? In: Hans-Peter Blossfeld, Gerald Prein (Hg.), Rational Choice Theory and Large-Scale Data Analysis, Boulder (CO), 1998, S.94-111;
Udo Kelle, Christian Lüdemann, Bridge Assumptions in Rational Choice Theory: Methodologial Problems and Possible Solutions, in: Hans-Peter Blossfeld, Gerald Prein (Hg.), Rational Choice Theory and Large-Scale Data Analysis, Boulder (CO), 1998, S.112-125

07.12.

Zur Logik der Situation IV: Kontextuelle und gesellschaftliche Strukturen

Hartmut Esser, Kap. 10 Die ¿Logik¿ der Situation, Kap. 11. Der Kontext des Handelns und Kap 12 Soziale Klassen und Klassenanalysen, in: Ders.: Soziologie. Spezielle Grundlagen. Band 1: Situationslogik und Handeln, Frankfurt/New York, 2000, S. 387-494

14.12.

Zur Logik der Selektion I: Handeln und Wert-Erwartungstheorie

Hartmut Esser, Kap. 6 Handeln, in: Ders.: Soziologie. Spezielle Grundlagen. Band 1: Situationslogik und Handeln, Frankfurt/New York 2000, S.177-243
Hartmut Esser, Kap. 7 Die Wert-Erwartungstheorie, in: Ders., Soziologie. Spezielle Grundlagen. Band 1: Situationslogik und Handeln, Frankfurt/New York 2000, S.247-294

21.12.

Zur Logik der Selektion II: Framing

Hartmut Esser, Kap. 6 Die Einstellung auf die Situation, Kap. 7 Framing: Die Selektion des Bezugsrahmens, in: Ders., Spezielle Grundlagen. Band 6: Sinn und Kultur, Frankfurt/New York 2001, S. 239-334; Amos Tversky, Daniel Kahnemann, The Framing of Decisions and the Psychology of Choice, in: Science 211(1981), S. 453-458

11.01.

Handeln im Lebenslauf

Wohlrab-Sahr, Monika 2002: Prozessstrukturen, Lebenskonstruktionen, biographische Diskurse. Positionen im Feld soziologischer Biographieforschung und mögliche Anschlüsse nach außen. In: BIOS 15: 3-23.
Witzel, Andreas; Kühn, Thomas (2001). Biographiemanagement und Planungschaos.
Arbeitsmarktplatzierung und Familiengründung bei jungen Erwachsenen. In: Claudia
Born; Helga Krüger (Hg.): Individualisierung und Verflechtung. Geschlecht und
Generation im deutschen Lebenslaufregime. Juventa : 55-82.
Mayer, Karl Ulrich 1997: Notes on a Comparative Political Economy of Life Courses. Comparative Social Research 16, 203-226.

18.01.

Empirische Beispiele: Scheidung

Hartmut Esser 2002:, In guten wie in schlechten Tagen? Das Framing der Ehe und das Risiko zur Scheidung. Eine Anwendung und ein Test des Modells der Frame-Selektion, in: KZfSS, 54, Heft 1 2002, S. 27-63
Hartmut Esser 2002:. Ehekrisen: Das Re-Framing der Ehe und der Anstieg der Scheidungsraten. Zeitschrift für Soziologie, 31, 472-496.

25.01.

Empirische Beispiele: Semesterticket

Sebstian Bamberg, Peter Schmidt, Modeling the Dynamics of Micro-Social Change: Results of a Three Wave Intervention Study of Travel Mode Choice in a Region, in: Hans-Peter Blossfeld, Gerald Prein (Hg.), Rational Choice Theory and Large-Scale Data Analysis, Boulder (CO), 1998, S.258-290

01.02.

Rational Choice und die Interpretation von Umfragedaten

Goldthorpe, John H. 1998: The Quantitative Analysis of Large-Scale Data Sets and Rational Action Theory: For a Sociological Alliance. In: Hans-Peter Blossfeld, Gerald Prein (eds.), Rational Choice Theory and Large-Scale Data Analysis. Boulder, CO, Oxford: Westview Press, 31-53.
Goldthorpe, John H. 1997: The Integration of Sociological Research and Theory. Grounds for Optimism at the End of the Twentieth Century. In: Rationality and Society, 9, S. 405-426.

08.02.

Rational Choice und Differenzierungs- bzw. Systemtheorie

Coleman, James S. 2000: Sozialtheorie, Sozialforschung und eine Handlungstheorie. In: Hans-Peter Müller/Steffen Sigmund (Hrsg.): Zeitgenössische amerikanische Soziologie. Opladen: Leske+Budrich, S. 55-83.
Priddat, Birger P. 1995: Rational Choice, Hermeneutik und Systemtheorie. Ein Beitrag zur Subjektivierung des Akteurs auf Null. Sociologia Internationalis 2, 127-146.
Schimank, Uwe 1988: Gesellschaftliche Teilsysteme als Akteurfiktionen. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 40, S. 619-639.

Grundlegende Literatur

Blossfeld, Hans-Peter, Prein, Gerald (Hg.) (1998), Rational Choice Theory and Large-Scale Data Analysis, Boulder (CO): Westview Press
Coleman, James S. (1995), Grundlagen der Sozialtheorie, Bde 1-3, München,Wien: Oldenbourg
Coleman, James S./Fararo, Thomas, J. (Eds.) (1992), Rational Choice Theory. Advocacy and Critique, Newbury Park, London, New Delhi: Sage
Esser, Hartmut (1993), Soziologie. Allgemeine Grundlagen, Frankfurt, New York: Campus Esser, Hartmut (1999-2001), Soziologie. Spezielle Grundlagen. Bde 1-6, Frankfurt, New York: Campus
Esser, Hartmut (2004), Soziologische Anstöße, Frankfurt, New York:Campus
Kunz, Volker (2004), Rational Choice, Frankfurt, New York: Campus

Lehrende

Termine ( Kalendersicht )

Rhythmus Tag Uhrzeit Format / Ort Zeitraum  
wöchentlich Do 10-12 U4-120 19.10.2006-08.02.2007

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Fachzuordnungen

Studiengang/-angebot Gültigkeit Variante Untergliederung Status Sem. LP  
Pädagogik / Erziehungswissenschaft / Diplom (Einschreibung bis SoSe 2008) H.S.1 Wahlpflicht HS
Sozialwissenschaften / Lehramt Sekundarstufe I B1 Wahlpflicht HS
Sozialwissenschaften / Lehramt Sekundarstufe II B1 Wahlpflicht HS
Soziologie Nebenfach 2.1.1 Wahlpflicht HS
Soziologie / Diplom (Einschreibung bis SoSe 2005) 2.1.1 Wahlpflicht HS
Soziologie (Nebenfach) / Magister 2.1.1 Wahlpflicht HS
Soziologie (2. Hauptfach) / Magister 2.1.1 Wahlpflicht HS

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Reichweite:
8 Studierende direkt per E-Mail erreichbar
Hinweise:
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Letzte Änderung Grunddaten/Lehrende:
Freitag, 11. Dezember 2015 
Letzte Änderung Zeiten:
Dienstag, 20. Juni 2006 
Letzte Änderung Räume:
Dienstag, 20. Juni 2006 
Art(en) / SWS
Seminar (S) / 2
Einrichtung
Fakultät für Soziologie
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