230032 Zeitanomalien im Film (und anderen audiovisuellen Medien) (BS) (WiSe 2024/2025)

Inhalt, Kommentar

Seit Beginn der Kulturgeschichte existieren Zeitanomalien: als Austritt aus dem erfahrbaren Zeit-Raum-Kontinuum. Die Bilder der Höhlenmalereien sind bereits eingefrorene, aus dem Kontinuum gerissene Augenblicke, die referenzielle Absichten dokumentieren. Auch die gesprochene Sprache, stärker noch die Schrift, verzeitlicht verzerrend den organischen Lebenszusammenhang in kommunikativer Absicht. Die Erfindungen von Ton- und Bildaufzeichnung im 19. Jahrhundert allerdings fangen das Reale ein und fixieren es für die Reproduktion. Damit wird zugleich Manipulation am Realen selbst möglich. Töne können nun beschleunigt und verlangsamt wiedergegeben, neu montiert oder rückwärts abgespielt werden. Fotografien bieten nur Ausschnitte aus der Wirklichkeit; als bewegte verfügen sie bereits über ein ganzes Arsenal an Verzerrungen der Realität. Unterbrechungen der Aufzeichnung, Ellipsen, Kontinuitäts- wie Kontrast- und Assoziationsmontage brechen das Zeit-Raum-Kontinuum auf und rekonfigurieren alternative Wirklichkeiten.
Die Geschichte der Zeitanomalien in audiovisuellen Medien beginnt also gleich mit deren Erfindung – und setzt sich bis zum Ende der Stummfilmära rasant fort. Mit der Jahrtausendwende allerdings – nach der Etablierung des Internets als Medium der Omnipräsenz, der stetigen Allgegenwärtigkeit kommunikativer Akte – vermehren sich die Abweichungen zur konstanten Zeiterfahrung: im fiktionalen Film oder in Serien sowie in der faktualen Berichterstattung. Zeitanomalien tauchen überall und jederzeit auf, das achronologische Erzählen ist im Film mittlerweile Usus. Sie können gehäuft auftreten als Artefakt-Markierungen (im Sinne medialer Selbstnobilitierung) oder gezielt eingesetzt sein zur manipulativen Steuerung von Rezipienten, um etwa politische Meinungsbildung zu beeinflussen. Was als Reiz und ästhetischer Gewinn auf der einen Seite verbucht wird, tritt auf der anderen als gegenaufklärerische Suggestion zutage. Doch hängen beide Bereiche womöglich inniger zusammen, als zunächst anzunehmen wäre. In künstlerischen Artefakten sind Zeitanomalien konnotativ belegt – wann und wie wirken sie irritierend, verstörend oder herausfordernd?
Das Seminar befragt in diesem Rahmen bekannte (moderne) Klassiker des Films sowie neuere, bislang weniger beachtete Beispiele der Zeitanomalie und beleuchtet eben deren Rückwirkungen auf die Erfahrung kohärenter Wirklichkeit und Zeitabläufe. Umgekehrt wird zu analysieren sein, wie das Internet, Fernsehen und Radio, aber auch Videogames, die Akzeptanz der Rezipienten erhöht, sich Verzerrungen der Zeit-Raum-Erfahrungen auszusetzen – und deren manipulative Dimensionen kritisch zu durchschauen.
Genette unterscheidet bekanntlich drei große Kategorien der zeitlichen Strukturierung in narrativen literarischen Texten, die alle auf den Film und andere audiovisuelle Texte übertragbar sind – aber in wissenschaftlichen Untersuchungen kommt in den meisten Fällen nur die erste vor, die narrative Anordnung als achronologische Umstellung oder auch: das Rückwärtserzählen. Wie aber verhält es sich mit dem Erzählrhythmus und der Frequenz in Bezug auf Zeitanomalien? Darüber hinaus arbeiten Science-Fiction-Filme bekanntlich mit Zeitreisen, Wurmlöchern und anderen Zeitverzerrungen. Seltener und ebenfalls hochkomplex sind Zeitanomalien, die durch paradoxale narrative Verfahren wie Endlos-Schleifen und Möbiusbänder entstehen.

Literaturangaben

Literatur wird über den elektronischen Lernraum und einen UB-Handapparat zur Verfügung gestellt.

Lehrende

Termine ( Kalendersicht )

Rhythmus Tag Uhrzeit Format / Ort Zeitraum  
Block Sa 09:00-18:00 (s.t.)   09.11.2024-11.01.2025 Drei Blockveranstaltungen am 9.11.2024, 7.12.2024, 11.1.2025

Fachzuordnungen

Modul Veranstaltung Leistungen  
23-GER-PLit2_a Literatur in der Gegenwart: Kultur, Medien, Digitalität Veranstaltung 1 (mit Modulprüfung) Studienleistung
benotete Prüfungsleistung
Studieninformation
Veranstaltung 2 Studienleistung
Studieninformation

Die verbindlichen Modulbeschreibungen enthalten weitere Informationen, auch zu den "Leistungen" und ihren Anforderungen. Sind mehrere "Leistungsformen" möglich, entscheiden die jeweiligen Lehrenden darüber.


Eine Studienleistung wird in der Regel über die Beteiligung an einer Referatgruppe erbracht.

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Teilnahmebegrenzung:
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Adresse:
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Reichweite:
12 Studierende direkt per E-Mail erreichbar
Hinweise:
Weitere Hinweise zu den E-Mailverteilern
Letzte Änderung Grunddaten/Lehrende:
Montag, 22. April 2024 
Letzte Änderung Zeiten:
Montag, 22. April 2024 
Letzte Änderung Räume:
Montag, 22. April 2024 
Art(en) / SWS
BS / 2
Einrichtung
Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft
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471213623