230363 Filmische Epistemologien des Südens: Vom Third Cinema bis in die Gegenwart (S) (SoSe 2023)

Kaum ein Massenmedium steht emblematischer für die Tendenz der Globalisierung ein, Inhalte und Formen nach dem rationalen Weltbild des kapitalistischen Nordens zu standardisieren, wie das Kino. Von seinen ersten Schritten an, den exotistischen Kurzfilmen der Firma der Brüder Lumière, verbindet sich das Kino mit kolonialen und imperialistischen Bewegungen. In diesem Sinne stellt das klassische Kino des Nordens immer schon eine Herrschaftstechnik dar, welche die Ungleichheiten zwischen Zentrum und Peripherie prozessiert und legitimiert. Im Zuge der dekolonialen Bewegungen entwickelt sich aber ab den 1960er Jahren ein Bewusstsein für diese ideologischen Abhängigkeiten, und in den verschiedensten Ländern versuchen Filmemacher:innen sich die Darstellungsformen des Kinos anzueignen, neue Ausdrucksmittel zu finden, eigene Formen des Protests, des Nachdenkens und des Bezugs auf die Wirklichkeiten kolonialer und postkolonialer Alltagswelten zu entwickeln, um auf diese Weise der Hegemonie des rationalen Weltbilds des Nordens eine eigenständige Epistemologie des Südens entgegenzusetzen, die sich nicht zuletzt aus den Kosmovisionen der Ethnien des Südens speist.
Das Seminar möchte sich mit diesen Tendenzen von den 1960er Jahren bis in die Gegenwart auseinandersetzen und dabei Filme folgender Regisseur:innen analysieren und diskutieren: Ousmane Sembene, Jorge Sanjines, Glauber Rocha, Abbas Kiarostami, Djibril Diop Mambety, Flora Gomes, Trinh T. Minh-ha, Lav Diaz, Abderrahmane Sissako, Lucrecia Martel, Faouzi Bensaidi, Kleber Mendonça Filho/Juliano Dornelles, Apichatpong Weerasethakul, Ciro Guerra, Mati Diop, Kiro Russo