"Wenn alle Tage einander glichen, wenn sie sich wiederholten und wiederholten und zehn Jahre im Voraus geplant waren, wieso spürte man, daß die Zeit verging, daß sie linear war, daß die Schulzeit eine Art Countdown war, daß die Zeit ein Zug war und daß man flink genug sein sollte und mußte, um mitzuhalten? Ich glaube, der Grund war, daß Leistungen gefordert wurden. [...] Es war ja nur von außen so, daß die Tage einander glichen. Im tiefsten Innern sollten sie verschieden sein. Es schien ja nur so, als ob dieselben Fächer und dieselben Räume und dieselben Lehrer und dieselben Schüler immer wieder kämen. In Wirklichkeit war gefordert, daß man sich jeden Tag verändern sollte. Jeden Tag sollte man besser sein, man sollte sich entwickelt haben, die vielen Wiederholungen im Schulleben waren nur dazu da, daß man vor demselben Hintergrund zeigen konnte, dass man sich verbessert hatte" heißt es in Peter Høegs Erziehungsroman "Der Plan von Abschaffung des Dunkels". Er beschreibt auf einer fiktionalen Ebene ein spezifisches Verhältnis von zyklischer und linearer Zeit in pädagogischen Institutionen und kritisiert davon ausgehend über die Perspektive des Protagonisten das System der Leistungsbewertungen sowie das Erziehungsziel Integration. Im Seminar werden wir uns näher damit auseinandersetzen, wie sich die Bedeutung der Zeit für Bildung, Entwicklung und Erziehung aus wissenschaftlicher Perspektive darstellt.
Lineare Zeit, die nicht zufällig im Zuge der Industrialisierung an Bedeutung gewann, ist geeignet, eine besondere Faszination auf PädagogInnen auszuüben, da sie die Illusion aufrecht erhält, man könne ein lineares Modell von Ursache und Wirkung in der Erziehung vertreten. Dieses fand seinen Ausdruck nicht zuletzt in der Disziplinierung der Edukanten durch die Reglementierung der Zeit. Auch heute offenbart dieses Modell seinen ungebrochenen Erfolg in der erziehungswissenschaftlichen Rezeption klar strukturierter, entwicklungspsychologischer Phasen- und Stufenmodelle ebenso wie in pädagogischen Ansätzen, die auf einer kausalen Vorstellung von Erziehung basieren. Einen Strich durch die Rechnung des linearen Determinismus macht hingegen das psychoanalytische Konzept der Zeitlichkeit: Der Begriff der Nachträglichkeit etwa besagt, dass bestimmte Erinnerungsspuren vergangener Ereignisse der Kindheit erst mit späteren Erfahrungen umgearbeitet werden und dadurch ihren Sinn für das Subjekt konstituieren. Die Logik von der Zweizeitigkeit der Entwicklung und der Nachträglichkeit ernstzunehmen aber bedeutet, dass sich die Folgen pädagogischen Handelns nicht grundsätzlich prognostizieren lassen. Damit werden technokratische Modelle von Erziehung in Frage gestellt.
Foucault, Michel: Disziplin. In: Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses. Frankfurt/ Main 1994.
Graupner, Helmut: Das siebzehnjährige Kind. Jüngste europarechtliche Rahmenbedingungen für Sexualität in den neuen Medien. In: Seikowski, Kurt (Hg.): Sexualität und neue Medien. Lengerich 2005.
Gruschka, Andreas: Wie mißt und stimuliert man moralische Urteilskraft? Von den Konflikten auf dem Weg zum guten und schlechten Menschen (Teil1). In: Pädagogische Korrespondenz. Zeitschrift für kritische Zeitdiagnostik in Pädagogik und Gesellschaft. 18/ 1996.
Høeg, Peter: Der Plan von der Abschaffung des Dunkels. Reinbek bei Hamburg 1998.
Heinrich, Martin: Zum Stand einer Theorie der Ontogonese bürgerlicher Kälte. Oder: 'Wie man kalt wird'. In: Pädagogische Korrespondenz. 24/1999.
Heinrich, Martin: Was tun? Zur Diskontinuität von moralischem Wissen, moralischem Urteil und moralischem Handeln. In: Pädagogische Korrespondenz. Zeitschrift für kritische Zeitdiagnostik in Pädagogik und Gesellschaft. 25/2000.
Huisken, Freerk: Lernen als geistige Anstrengung in vorgeschriebener Zeit. In: Erziehung im Kapitalismus. Von den Grundlügen der Pädagogik und dem unbestreitbaren Nutzen der bürgerlichen Lehranstalten. Hamburg 2001.
Kirchhoff, Christine: Das psychoanalytische Konzept der Nachträglichkeit. Zeit, Bedeutung und die Anfänge des Psychischen. Gießen 2009.
Schneider, Peter: Wahrheit und Verdrängung. Eine Einführung in die Psychoanalyse und die Eigenart ihrer Erkenntnis. Berlin 1995.
Weitere Literatur wird im Seminar bekanntgegeben.
Rhythmus | Tag | Uhrzeit | Format / Ort | Zeitraum |
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Modul | Veranstaltung | Leistungen | |
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25-BE2_ver1 Erziehungswissenschaftliche Forschung in Theorie und Empirie | E1: Theorien der Erziehungswissenschaft (Bildungs-, Erziehungs-, Sozialisations- und Gesellschaftstheorien) | Studienleistung
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Studieninformation |
- | benotete Prüfungsleistung | Studieninformation | |
25-BiWi14 Fachliches Grundlagenmodul (GymGe) | E2: Bildung, Erziehung und Sozialisation | Studienleistung
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Studieninformation |
- | benotete Prüfungsleistung | Studieninformation | |
25-BiWi14_a Fachliches Grundlagenmodul (GymGe) | E2: Bildung, Erziehung und Sozialisation | Studienleistung
benotete Prüfungsleistung |
Studieninformation |
25-BiWi2-G Fachliches Grundlagenmodul (Grundschule) | E2: Bildung, Erziehung und Sozialisation | Studienleistung
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Studieninformation |
- | benotete Prüfungsleistung | Studieninformation | |
25-BiWi2-HRGe Fachliches Grundlagenmodul (HRGe) | E2: Bildung, Erziehung und Sozialisation | Studienleistung
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Studieninformation |
- | benotete Prüfungsleistung | Studieninformation |
Die verbindlichen Modulbeschreibungen enthalten weitere Informationen, auch zu den "Leistungen" und ihren Anforderungen. Sind mehrere "Leistungsformen" möglich, entscheiden die jeweiligen Lehrenden darüber.
Studiengang/-angebot | Gültigkeit | Variante | Untergliederung | Status | Sem. | LP | |
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Erziehungswissenschaft GHR / Master of Education | (Einschreibung bis SoSe 2014) | MA.2.2.4 | 2 | aktive Teilnahme oder EL(u) | |||
Erziehungswissenschaft GymGe / Master of Education | (Einschreibung bis SoSe 2014) | MG.2.2.4 | 2 | aktive Teilnahme oder EL(u) |