Nationsbildung und Nationalismus sind v.a. Phänomene der neuesten Geschichte und wären in der uns bekannten Form ohne die Französische Revolution und die levée en masse kaum denkbar. Hier stand erstmals ein ganzes Volk in Waffen, um eine noch kaum konsolidierte neue staatliche Ordnung zu verteidigen und zu exportieren, mit der sich offenbar der Einzelne in zuvor ungekanntem Maße identifizieren konnte. Partikularismus, der auf das national Eigene beharrt und eine Nation von anderen unterschieden wissen will, und (expansiver) Universalismus, der die eigenen Ordnungsvorstellungen zu allgemeinverbindlichen erheben will, gehen so Hand in Hand. Gemeinhin wird zwischen Staats- und Kulturnationen unterschieden: Staatsnationen (wie Frankreich, oder die USA) konstituierten demnach die Nation auf der Grundlage der von den Bürgern (im Sinne von citoyens, citizens) anerkannten Staatsverfassung, Kulturnationen (wie Deutschland, Italien und die meisten Länder Osteuropas) hingegen sähen die Basis der Nation in wesentlichen kulturellen (und v.a. sprachlichen) Gemeinsamkeiten, aufgrund derer ein Staatswesen oftmals erst zu schaffen sei. Sprachlich-kulturell homogene Räume waren jedoch eine Fiktion, so daß gerade die "Kulturnationen" mindesten genauso aggressive und gewaltsam homogenisierende Tendenzen entfaltet haben wie die "Staatsnationen". Dazu kommt, daß diese konzeptionellen Idealtypen in der Praxis ineinander fließen, waren und sind es doch letztlich immer kleine Gruppen von Intellektuellen, die die Nationen "erfinden" (B. Anderson) und bestimmte Kriterien essentialisierten, was freilich eine rezeptiven Öffentlichkeit bedarf, um zu einer politisch-gesellschaftlichen Wirklichkeit zu werden.
Im Grundseminar soll das Phänomen des Nationsgedanken und des Nationalismus in seinen unterschiedlichen Erscheinungsformen von Westen nach Osten, von den Napoleonischen Kriegen bis zu den modernen Formen nationaler und ethnischer Konflikte in den Blick genommen werden. Den unterschiedlichen theoretischen Reflexionen wird besondere Aufmerksamkeit gewidmet, wobei sowohl die politisch motivierten publizistischen Akteure, als auch die sich wissenschaftlich neutral gebärdende Historiographie berücksichtigt werden.
Rolf-Ulrich Kunze: Nation und Nationalismus. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2005; Hagen Schulze: Staat und Nation in der europäischen Geschichte. Beck, München 1999; Ernest Gellner: Nationalismus und Moderne. Rotbuch-Verlag, Berlin 1991; Benedict Anderson: Die Erfindung der Nation. Zur Karriere eines folgenreichen Konzepts. 2. Auflage. Campus-Verlag, Frankfurt am Main 2005.
Rhythmus | Tag | Uhrzeit | Format / Ort | Zeitraum |
---|
Studiengang/-angebot | Gültigkeit | Variante | Untergliederung | Status | Sem. | LP | |
---|---|---|---|---|---|---|---|
Geschichtswissenschaft / Bachelor | (Einschreibung bis SoSe 2011) | Kern- und Nebenfach | Modul 2.2; Modul 2.4; Modul 2.8; Modul 2.1 | Wahlpflicht | 4 | scheinfähig | |
Geschichtswissenschaft (Gym/Ge) / Master of Education | (Einschreibung bis SoSe 2014) | Modul 2.4; Modul 2.1 | Wahlpflicht | 4 | scheinfähig |