In dem Seminar geht es um den Beitrag biographie- und autobiographiegeschichtlicher Ansätze zur Erforschung von Diktaturen im 20. Jahrhundert. Während in der älteren Forschung nur die Biographien der führenden Persönlichkeiten und allen voran des Diktators selbst als relevant erachtet wurden, so thematisieren neuere Arbeiten v.a. erfahrungsgeschichtliche Aspekte und fragen sowohl nach Distanznahme, Opposition, innerer Emigration und Widerstand, als auch nach Anpassung, Rezeption und Aneignung dominanter Diskurse. Nicht die Persönlichkeit oder Psychologie des Diktators oder Führers steht im Mittelpunkt des Interesses, sondern die Mentalität(en) der breiteren Bevölkerung, die eine Diktatur mehr oder weniger trägt und jedenfalls das Substrat abgibt, auf dem sie sich entfaltet. Diese Haltungen und Handlungen werden häufig an konkreten Situationen oder Strukturen festgemacht: Akte des Widerstands, oppositionelle Organisationen etc., bzw. auch Denunziationen von Mitbürgern oder Äußerungen der Zustimmung. Doch bietet eine biographische Herangehensweise den Vorteil, daß persönliche Verhaltensweisen und Einstellungen über einen längeren Zeitraum in ihrer Entwicklung verfolgt werden können, was es wiederum erlaubt, aus den grob vereinfachenden Täter-Opfer-Schemata auszubrechen und exemplarisch die Dynamiken der Machtentfaltung eines diktatorischen Systems auszuloten – auch über historische Brüche hinaus, ja letztlich auch über den chronologischen Rahmen der Diktaturen selbst hinaus. Empirisch nimmt das Seminar v.a. die Sowjetunion, den Nationalsozialismus und die DDR in den Blick, wobei gerade auch die heuristische Reichweite und die methodologischen Probleme im Umgang mit unterschiedlichen Ego-Dokumenten und oral history als Quelle thematisiert werden sollen.
Neben gut vorbereiteten und mit mir im Vorhinein abgesprochenen Referaten werden von den Seminarteilnehmern eine intensive Lektüre der Texte und eine aktive Teilnahme an den Diskussionen erwartet. Den Seminarplan werde ich gegen Ende der Semesterferien an die eingeschriebenen Teilnehmer versenden, die dann gebeten sind, mir noch vor der ersten Sitzung ihre Präferenzen für ihr potentielles Referat mitzuteilen und inhaltlich zu begründen (ca. eine Seite schriftlich per mail). Auf dieser Grundlage können wir dann in der ersten Sitzung die Themenverteilung nach inhaltlichen Kriterien vornehmen.
Bödeker, Hans Erich: Biographie. Annäherungen an den gegenwärtigen Forschungs- und Diskussionsstand. In: Ders. (Hrsg.): Biographie schreiben. Göttingen 2003. S. 9-63. Schulze, Hagen: Die Biographie in der „Krise der Geschichtswissenschaft“. In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 29 (1978). S. 508-518. Julia Herzberg: Autobiographik als historische Quelle in ‚Ost’ und ‚West’. In: Julia Herzberg, Christoph Schmidt (Hrg.): Vom Wir zum Ich: Individuum und Autobiographik im Zarenreich. Köln, Weimar, Wien 2007, S. 15-62. Alexander von Plato: Geschichte und Psychologie – Oral History und Psychoanalyse, in: BIOS - Zeitschrift für Biographieforschung und Oral History 2/1998 (11.Jg.), S. 171-200. Bourdieu, Pierre: Die biographische Illusion. In: Bios 3 (1990). S. 75-81.
Rhythmus | Tag | Uhrzeit | Format / Ort | Zeitraum |
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Studiengang/-angebot | Gültigkeit | Variante | Untergliederung | Status | Sem. | LP | |
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Geschichtswissenschaft / Bachelor | (Einschreibung bis SoSe 2011) | Kern- und Nebenfach | Modul 2.2; Modul 2.4; Modul 2.8 | Wahlpflicht | 4 | scheinfähig | |
Geschichtswissenschaft (Gym/Ge) / Master of Education | (Einschreibung bis SoSe 2014) | Modul 2.4 | Wahlpflicht | 4 | scheinfähig |