"Des Juden Los ist – nachbarlos zu sein. Vielleicht gibt es das nur einmal auf der Welt, und wer weiß wie lange man es ertragen kann: das Leben ohne Nachbarn. Überall kennt das Leben den nachbarlichen Menschen. Das ist nicht der Freund, aber einer der gewillt, mit dem anderen das Leben zu tragen, es ihm nicht zu erschweren, sein Mühen und sein Hasten mit freundlichen Augen zu betrachten. Das fehlt." - Mit diesen Worten umschrieb der Berliner Rabbiner Joachim Prinz im April 1935 die Lage der jüdischen Bevölkerung in Deutschland. Seine Beobachtungen bezogen sich nicht auf die unablässigen politischen, rechtlichen, propagandistischen und physischen Übergriffe des nationalsozialistischen Staats- und Parteiapparates, sondern auf die mangelnde Solidarität – oder einfach "freundliche" Sympathie – der ganz normalen Mehrheitsbevölkerung – Nachbarn, Freunde, Bekannte, Kollegen, Geschäftspartner.
Seitdem sich in der Holocaustforschung die These durchgesetzt hat, dass die zwischen 1933 und 1945 begangenen Massenverbrechen das Ergebnis vielschichtiger politischer, militärischer und vor allem sozialer Prozesse waren, widmen sich Historikerinnen und Historiker verstärkt der Rolle der nichtjüdischen Bevölkerung in Deutschland und den besetzten Gebieten. Die Veranstaltung nimmt die Entstehung, Geschichte und Nachgeschichte dieser unterschiedlichen „bystander societies“ im europäischen und zäsurübergreifenden Vergleich in den Blick. Sie bietet einen fundierten Einblick in neuere analytische und narrative Ansätze zur Erforschung bzw. Darstellung der Ursachen und Dynamiken interpersonaler und gesellschaftlicher Diskriminierung und Verfolgung, sowohl innerhalb als auch jenseits – und damit über den Holocaust hinausweisend – von Kontexten staatlich sanktionierter Gewaltherrschaft.
Die Veranstaltung findet digital statt, d.h. insbesondere über Videokonferenzen/-chats, Mini-"Vorlesungen"/kommentierte Powerpoint-Präsentationen der Dozentin; Einzel- und Gruppenlektüre sowie Projektarbeit.
Christina Morina/Krijn Thijs (eds.), Probing the Limits of Categorization: The Bystander in Holocaust History (2019).
Mary Fulbrook, Reckonings. Legacies of Nazi Persecution and the Quest for Justice (2018).
Frank Bajohr, Der Cultural Turn und die Gesellschaftsgeschichte des Nationalsozialismus, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 65, 2 (2017), S. 223-232.
Janosch Steuwer, Was meint und nützt das Sprechen von der „Volksgemeinschaft“? Neuere Literatur zur Gesellschaftsgeschichte des Nationalsozialismus, in: Archiv für Sozialgeschichte, 2013, 53, S. 487-534.
Michael Wildt, Volksgemeinschaft als Selbstermächtigung. Gewalt gegen Juden in der deutschen Provinz 1919 bis 1939 (2007).
Rhythmus | Tag | Uhrzeit | Format / Ort | Zeitraum |
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Modul | Veranstaltung | Leistungen | |
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22-3.2 Hauptmodul Moderne
3.2.5 |
Historische Orientierung | Studieninformation | |
22-3.8 Wahlfreies Hauptmodul
3.2.5 |
Historische Orientierung | Studieninformation | |
25-FS-EM Einführungsmodul | E2: Einführende Veranstaltung aus den Fakultäten | Studieninformation | |
E3: Einführende Veranstaltung aus den Fakultäten | Studieninformation | ||
25-FS-GM Grundlagenmodul | E2: Einführende Veranstaltung aus den Fakultäten | Studieninformation | |
E3: Einführende Veranstaltung aus den Fakultäten | Studieninformation |
Die verbindlichen Modulbeschreibungen enthalten weitere Informationen, auch zu den "Leistungen" und ihren Anforderungen. Sind mehrere "Leistungsformen" möglich, entscheiden die jeweiligen Lehrenden darüber.
Studiengang/-angebot | Gültigkeit | Variante | Untergliederung | Status | Sem. | LP | |
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Studieren ab 50 |
Zu dieser Veranstaltung existiert ein Lernraum im E-Learning System. Lehrende können dort Materialien zu dieser Lehrveranstaltung bereitstellen: