Was meinen wir, wenn wir von „Geschichte“ sprechen? Der Begriff ist mehrdeutig und bezieht sich erstens auf vergangenes Geschehen und vergangene Zustände. Zweitens ist die Erforschung dieses Vergangenen gemeint, womit „Geschichte“ zur Kurzform von „Geschichtswissenschaft“ wird. Drittens geht es um die Erzählung vom Vergangenen, denn durch das Erzählen schildern Historiker*innen das Gewesene, ordnen es wissenschaftlich ein, analysieren und interpretieren es. Diese Mehrdeutigkeit ist nicht zufällig. Sie verdeutlicht, dass es unserer Disziplin eben nicht um die bloße vergangene Realität an und für sich geht, sondern um deren wissenschaftliche Ausdeutung: Durch das Erzählen von Geschichte(n) wird der erforschten Vergangenheit Bedeutung und Ordnung verliehen. Hier sprechen wir von der Narrativität der Geschichtsschreibung.
Geschichtsschreibung wird traditionell mithilfe gedruckter Texte umgesetzt: Historiker*innen schreiben Monografien, Aufsätze und andere Texte, um damit Vergangenes wissenschaftlich einzuordnen, zu analysieren und zu interpretieren. Das Medium Text ist für diesen Zweck gut geeignet, unter anderem weil in Textform historische Verläufe „von vorne bis hinten“ geschildert werden können. Im Textaufbau spiegelt sich der schrittweise Argumentationsaufbau wider; in Fußnoten werden Anmerkungen und Verweise zu anderen Studien gegeben und so fort. Das Textmedium ist nicht zufällig das klassische Ausdrucksmedium der Historiografie.
In den letzten Jahrzehnten sind in der Geschichtswissenschaft darüber hinaus Ansätze entstanden, die nach ergänzenden Ausdrucksweisen fragen: Der Blick auf Kulturtransfer, die Einbeziehung multipler Perspektiven historischer Akteur*innen oder auch das Aufbrechen streng chronologischer Zeitordnungen sind beispielhaft zu nennen. Hier wird ein Erzählen angestrebt, das sich einem grundsätzlich linearen Aufbau entzieht. Auch die Digital History hat längst die Frage nach ergänzenden Darstellungsweisen gestellt, wenn große Mengen an digitalen Analysedaten anfallen. Sie sollen zwecks Ergebnistransparenz mit den Geschichtsdarstellungen zusammen publiziert werden. Visualisierungen dieser Analysedaten kommen ebenfalls als nicht-textuelle Elemente hinzu.
Vor diesem Hintergrund werden wir einen theoretischen Blick auf die Narrativität von Geschichtsschreibung werfen. Darauf aufbauend werden wir beleuchten, worin sich das Erzählen in verlinkter und multimedialer Form vom Erzählen in Drucktexten unterscheidet und inwiefern hier eine Ergänzung für die Historiografie identifiziert werden kann. Dafür werden wir uns einerseits mit Theorien digitalen Erzählens auseinandersetzen. Andererseits werden wir entsprechende Beispiele diskutieren. Im Rahmen einer kleinen Hands-On-Übung werden wir digitales Erzählen auch selbst ausprobieren – mit Scalar (www.scalar.me), einem Tool für akademisches Online-Publishing. So sollen die Seminarteilnehmenden digitale Geschichtsschreibung selbst erproben und medienpraktische Erfahrung sammeln.
Rhythmus | Tag | Uhrzeit | Format / Ort | Zeitraum |
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Modul | Veranstaltung | Leistungen | |
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22-2.1 Theoriemodul | Grundseminar Theorien in der Geschichtswissenschaft | benotete Prüfungsleistung
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Studieninformation |
22-2.2_a Methodikmodul | Grundseminar Methodik | Studienleistung
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Studieninformation |
22-2.4_a Fachdidaktisches Methodikmodul | Grundseminar Methodik | Studienleistung
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Studieninformation |
Die verbindlichen Modulbeschreibungen enthalten weitere Informationen, auch zu den "Leistungen" und ihren Anforderungen. Sind mehrere "Leistungsformen" möglich, entscheiden die jeweiligen Lehrenden darüber.
Zu dieser Veranstaltung existiert ein Lernraum im E-Learning System. Lehrende können dort Materialien zu dieser Lehrveranstaltung bereitstellen: