Die Zukunft Venedigs ist unsicher und soll doch bewahrt werden: In Kürze ist deshalb eine Art „Eintrittsgeld“ für Tagestouristen vorgesehen (siehe FAZ, 1. Januar 2019), um die Lagunenstadt vor ihrem beharrlich prognostizierten Untergang – im Meer wie auch im Müll – zu retten. „La Serenissima“ war in der Vergangenheit bedeutende Handelsstadt, bis 1797 Hauptstadt der Republik und topologischer Ausgangspunkt des venezianischen Stils in der Malerei, für den bis heute Maler wie Tizian, Veronese und Tintoretto beredtes Zeugnis ablegen. Stets trafen in Venedig unterschiedlichste Kulturen aufeinander, Gewürz- und Textilhandel sorgten für unerhörten Reichtum der Stadt, der von Beginn an in die Repräsentation durch Kunst reinvestiert wurde. Gegenwärtig ist die Stadt beliebtes Reiseziel aufgrund ihrer Paläste, Kirchen, Plätze und der bedeutenden Kunstwerke, die in hiesigen Sammlungen aufbewahrt werden. Nicht zuletzt lockt die seit 1895 regelmäßig stattfindende „Biennale di Venezia“ jährlich ein internationales Kunstpublikum an, das die national organisierte Leistungsschau zeitgenössischer Kunst besucht. Die seit 1987 auf der Unesco-Liste des Weltkulturerbes geführte Lagunenstadt ist ein Palimpsest (kunst-)historischer Zeiten und wird deshalb auch häufig selbst als „Museum“ bezeichnet. Noch radikaler hatte der Schweizer Kunsthistoriker Jacob Burckhardt bereits am Ende des 19. Jh. gleich den gesamten Stadtstaat als Gesamtkunstwerk charakterisiert.
Im Seminar möchten wir im Rahmen einer Exkursion der Frage nachgehen, wie sich die Verflechtung der Zeiten, Kulturen, Stile und politischer Akteure in der Stadt Venedig zeigt und wie diese Verflechtung – methodisch und theoretisch fundiert – Gegenstand kunsthistorischer Untersuchung werden kann. Anhand von Autoren wie Gérard Genette, Reinhart Koselleck, Monica Juneja und Achim Landwehr sollen die fragmenthaften Zusammenschlüsse, das Problem der Zeitschichten, die Einbindung der Stadt in eine globale Kunstgeschichte sowie das mythische Potential dieses urbanistischen Sonderfalls diskutiert werden. Auf der Exkursion werden die Schauplätze dieser Verflechtungen besucht und unter dieser Fragestellung eingehend analysiert. Dabei soll es sowohl um die Einübung der kunsthistorischen Arbeit vor dem „Original“, als auch um die Diskussion methodischer und theoretischer Vorgehensweise in Hinblick auf die sich überlagernden Zeitschichten gehen: Nicht nur anhand unserer eigenen Seh- und Raumerfahrungen, sondern auch anhand älterer Zeugnisse des Stadtbesuchs – etwa von Johann Wolfgang Goethe oder mit den wiederentdeckten Daguerreotypien von John Ruskin – lassen sich Vergangenheit und Zukunft in unserer Gegenwart beschreiben und diskutieren. Sie können uns zusätzliche Anhaltspunkte und Belegstellen für Frakturen oder Gebliebenes auf unseren gemeinsamen Stadtspaziergängen und beim Besuch des Biennale-Geländes bieten.
Die maximale Teilnehmer*innenzahl ist auf 20 Plätze beschränkt. Sollte es zu einer höheren Bewerber*innenzahl kommen, wird es ein Auswahlverfahren geben, über das wir Sie rechtzeitig in Kenntnis setzen.
• Ennio Concina: Kirchen in Venedig: Kunst und Geschichte, München 1996.
• Thorsten Droste: Venedig: die Stadt in der Lagune, Kirchen und Paläste, Gondeln und Karneval, Köln 1985.
• Eric R. Dursteler: A companion to Venetian history, 1400–1797, Leiden [u.a.] 2014.
• Michael S. Falser u. Monica Juneja (Hg.) Kulturerbe und Denkmalpflege transkulturell. Grenzgänge zwischen Theorie und Praxis, Bielefeld 2013.
• Robert Fleck: Die Biennale von Venedig. Eine Geschichte des 20. Jahrhunderts, Hamburg 2009.
• Gérard Genette: Palimpseste. Die Literatur auf zweiter Stufe. Aus dem Französischen von Wolfram Bayer u. Dieter Hornig, Frankfurt/M. 1993.
• Johannes Grave: Giovanni Bellini. Venedig und die Kunst des Betrachtens, München [u.a.] 2018.
• Reinhart Koselleck: Zeitschichten: Studien zur Historik, Frankfurt am Main 2003.
• Barbara Kuhn (Hg.): Wie sonst nirgendwo...Venedig zwischen Topographie und Utopie, Würzburg 2017.
• Achim Landwehr: Die Erschaffung Venedigs: Raum, Bevölkerung, Mythos 1570–1750, Paderborn 2007.
• Jan May u. Sabine Meine (Hg.): Der Deutsche Pavillon. Ein Jahrhundert nationaler Repräsentation auf der internationalen Kunstausstellung „La Biennale di Venezia“ 1912–2012, Regensburg 2015.
• Klaus Mönig: Venedig als urbanes Kunstwerk: Goethes Perspektiven auf Kultur und Öffentlichkeit der Dogenrepublik im Epochenumbruch, Heidelberg 2012.
• Bruce Redford: Venice & the grand tour, New Haven [u.a.] 1996.
• David Rosand: Myths of Venice: the figuration of a state, Chapel Hill 2001.
• John Ruskin: Steine von Venedig. Faks.-Ausg. in 3 Bd. [der deutschen Übers. aus dem Jahr 1903], hrsg. und mit einem Nachw. vers. v. Wolfgang Kemp, Köln 1994.
• Elsje van Kessel: The lives of paintings: presence, agency and likeness in Venetian Art of the Sixteenth Century, Berlin, Boston 2017.
• Ursula Zeller (Hg.): Die deutschen Beiträge zur Biennale Venedig 1895–2007, Köln 2007.
Frequency | Weekday | Time | Format / Place | Period |
---|
Module | Course | Requirements | |
---|---|---|---|
22-2.5 Modul Geschichte und Öffentlichkeit | Übung Geschichte und Öffentlichkeit | Study requirement
Graded examination |
Student information |
22-BKG-PM Bild- und kunsthistorische Praxis | Praktikum | Ungraded examination
|
Student information |
Praktische Übung/Exkursion/Projektseminar | Study requirement
|
Student information |
The binding module descriptions contain further information, including specifications on the "types of assignments" students need to complete. In cases where a module description mentions more than one kind of assignment, the respective member of the teaching staff will decide which task(s) they assign the students.