Zusammen mit der Kategorie von Prozess und Struktur gehört die Kategorie des Ereignisses im Sinne des unerwarteten, kontingenten Geschehens und Vorkommens zur wichtigsten theoretischen und temporalen Untersuchungskategorie der Historiker überhaupt. Historiker begegnen und untersuchen kollektiv-gesellschaftliche Ereignisse wie Katastrophen, Krisen, Revolutionen, Konflikten und Kriegen. Sie begegnen und untersuchen aber auch Ereignisse auf der Ebene von Individuen oder Kleingruppen in Gestalt von Lebenkrisen, biographischen Brüchen und anderen traumatischen Erlebnissen. Überblickt man die Geschichte der Geschichtsschreibung in den letzten zweihundert Jahren, stellt man zwischen diesen drei Kategorien bemerkenswerte Verschiebungen fest. Im Historismus des 19. Jahrhunderts und bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts war die Kategorie des Ereignisses im Vergleich zu jenen von Prozess und Struktur absolut dominant, danach wurde das Ereignis als untersuchungswürdiger Gegenstand von der Sozial- bzw. Gesellschaftsgeschichte jahrzehntelang komplett ignoriert, ja verteufelt. Ab den 1980er Jahren unternahm es die neue Mikro- und Kulturgeschichte in Opposition zum Mainstream der Sozial- und Gesellschaftsgeschichte, den Untersuchungsgegenstand des Ereignisses wieder prominent zu machen. Im Ergebnis ist das "Ereignis wieder in die Geschichtswissenschaft zurückgekehrt", wie Emanuel Le Roy Ladurie formulierte, allerdings nur teilweise. Viele Varianten der neuen Kulturgeschichte wie zum Beispiel die historische Semantik oder die Diskursanalyse favorisieren nach wie vor die Perspektive von Prozessen und Strukturen - allerdings nicht mehr in Gestalt von sozialen und wirtschaftlichen, sondern in Gestalt sprachlicher und symbolischer Prozesse und Strukturen. Die Veranstaltung verfolgt folgende Ziele: Am Beispiel von zentralen und mittlerweile klassisch gewordenen Texten werden die Studierenden dafür sensibilisiert, welchen theoretischen Umgang die Historiker zu unterschiedlichen Zeiten mit dem Gegenstand des Ereignisses gepflegt haben. Im Ergebnis der Veranstaltung wird den Studierenden nicht nur ein vertieftes Verständnis der Grundkategorien historischen Arbeitens, sondern am konkreten Beispiel des Ereignisses auch eine Übersicht über die wichtigste theoretische Ansätze der Geschichtsschreibung im 19. und 20. Jahrhundert vermittelt werden.
Zu Beginn der Veranstaltung wird den Studierenden ein Reader mit Literatur verteilt.
Rhythmus | Tag | Uhrzeit | Format / Ort | Zeitraum |
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Studiengang/-angebot | Gültigkeit | Variante | Untergliederung | Status | Sem. | LP | |
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Geschichtswissenschaft / Bachelor | (Einschreibung bis SoSe 2011) | Kern- und Nebenfach | Modul 2.2; Modul 2.4; Modul 2.8 | Wahlpflicht | 4 | scheinfähig | |
Geschichtswissenschaft (Gym/Ge) / Master of Education | (Einschreibung bis SoSe 2014) | Modul 2.4 | Wahlpflicht | 4 | scheinfähig |