Prognosen bestimmen unseren Alltag, ja die Welt, wie wir sie kennen, in großem und stetig noch wachsendem Maße. Eine an und für sich (noch) unbekannte Zukunft wird bereits in der Gegenwart vorweggenommen, wird modelliert und projektiert. Und ganz gleich ob in der politischen Demoskopie, in den Quartalszahlen der Wirtschaft oder angesichts der neuesten Meldungen aus den virologischen Instituten – überall wo Organisation stattfindet, soziale Welt organisiert wird, gehört der kundige Blick in die Zukunft zu den wichtigsten Aufgaben der zahlreichen dafür beschäftigten ExpertInnen und AnalystInnen. Sogar ein eigenes Berufsprofil hat sich querläufig zu Viren, Wirtschaft und Wetter etabliert: der Job des Modellierers, kurz gesagt: eines Professionellen für alle Angelegenheiten der "Glaskugel".
In diesem Seminar wird es um eine soziologische Annäherung an das Thema der Prognostik und Modellierung gehen – vorzugsweise an den (inzwischen/derzeit) besonders lebensweltlich vertrauten oder präsenten Bereichen der Wahlforschung, der Klimaforschung und der Meteorologie sowie an ökonomischen und virologischen Sachverhalten. Hierzu werden einschlägige, d. h. theoretische und empirische Texte studiert. Ferner wird auf aktuelle öffentliche Debatte eingegangen, sofern sie soziologisch interessante Gesprächspunkte aufweist. Mögliche Diskussionspunkte könnten diesbezüglich die folgenden sein:
– Welche Infrastrukturen, Verfahren und Praktiken der Prognostik sind auszumachen?
– Wie werden Zukunftsbilder des Möglichen in jeweiligen sozialen Rahmungen informativ dargeboten?
– Was lässt sich über den Umgang mit Daten und Interpretationen sagen?
– Wie sind etwaige Kontext- und Feedbackeffekte zwischen Prognostik und Publikum zu bewerten?
– Welche (Ab-)Sicherungen und "Realisierungen" der Prognostik erfolgen in/durch Organisationen?
– Was überhaupt sind zentrale organisationale Aspekte der Prognostik in ihren bekannten Formen?
– Inwiefern lassen sich Unterschiede ausmachen zwischen sehr präsenten und sehr wenig präsenten Prognostiken?
– Was lässt sich über die professionelle Gestalt der Prognostiker/Modellierer, den Expertenstatus, sagen?
– Wie ist das Verhältnis von Prognose und Entscheidung einzuschätzen?
Zum Ablauf dieses Seminars:
Eine vollständige, terminbezogene Literaturliste wird vor Veranstaltungsbeginn den TeilnehmerInnen zugestellt. Zu Beginn des Seminars werden feste Semestergruppen gebildet, d. h. Kooperationen von 3–4 Studierenden, die in dieser Formation das Semester über bestehen bleiben und als "prognostische AG" semesterbegleitende Gruppenarbeiten durchführen. Es ist vorgesehen, aus dem Rahmen der AGs heraus die Prüfungsleistungen zu generieren. Die Themen für die Prüfungsleistungen werden bereits im Semester und eng an den diskutierten Arbeiten und Fällen entschieden. Dazu ist es erforderlich, dass TeilnehmerInnen dem Veranstaltungsgeschehen aufmerksam folgen. Für die Veranstaltung ist ein 14–tägiger Rhythmus vorgesehen. Es sollen Online-Präsenzen mit Selbststudienphasen (im wöchentlichen Wechsel) stattfinden. Für ausgewählte Termine sind optionale "echte" Präsenzen in den Räumen der Universität reserveweise – und abhängig von den weiteren Prognosen und Modellen zur pandemischen Lage – eingeplant. Die Veranstaltung wird über das Online-Tool BigBlueButton durchgeführt. Zur ersten Sitzung müssen alle TeilnehmerInnen anwesend sein; hiervon kann aus organisatorischen Gründen nicht abgewichen werden.
Das Seminar findet Montags, 12–14 Uhr statt. Der erste Termin ist der 11. Oktober 2021. Die Zeiten werden kurzfristig noch im eKVV eingebucht.
Für Einstimmung und Einstieg in das Seminar sollen bitte folgende Texte alsbald gelesen werden:
Beckert, J. (2015): Imaginierte Zukunft: Wie fiktionale Erwartungen wirtschaftliche Dynamik vorantreiben. In: MPG Gesellschaftsforschung 15, S. 8–11. Link: https://pure.mpg.de/rest/items/item_2249660/component/file_2249658/content
Beckert, J. (2019): Die Macht der Erwartungen. In: MaxPlanckForschung 1, S. 10–15. Link: https://pure.mpg.de/rest/items/item_3029990/component/file_3029991/content
Hauber, K./Schütz, M. (2021): Mehr Hochauflösung, mehr Datendichte, mehr Frequenz – von der Magie und der Mühe des Messens. In: Neue Zürcher Zeitung (NZZ), Jg. 242, 18.03.2021, S. 18. Link: https://0094683b-1ebf-45a7-affd-db26bcdabb26.filesusr.com/ugd/cc2b4b_3f60a42e799b4fadb981dfbff82c391b.pdf
Schmidt, J./Schütz, M. (Interviewer) (2021): "Man muss auch wirklich Spaß haben am Wetter" – Ein Gespräch mit dem Meteorologen Jürgen Schmidt. In: Sozialtheoristen, 26.02.2021. Link: https://sozialtheoristen.de/2021/02/26/man-muss-auch-wirklich-spass-haben-am-wetter-ein-gespraech-mit-dem-meteorologen-juergen-schmidt/
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