Die Begegnung zwischen Rußland und dem Rest Europas begann nicht erst mit der Regierungszeit Peters des Großen. Schon in der Zeit der Wirren, dem Bürgerkrieg zu Beginn des 17. Jahrhunderts, der auf das Ende der ersten Herrscherdynastie der Rjurikiden folgte, wurden erstmals Söhne russischer Adliger ins westliche Ausland zum Studieren geschickt. Allerdings kam keiner von ihnen zurück, was zweifellos so nicht intendiert gewesen war. Dies scheint weit verbreitete Vorurteile über die Moskowiter als kulturlose Barbaren zu bestätigen, die in westlichen Reiseberichten und Darstellungen über Rußland seit Herbersteins Bericht aus dem 16. Jahrhundert zirkulierten. Wer die Möglichkeit hatte, suchte das Weite, so könnte man meinen. Doch solch ein Bild ist viel zu einseitig. Im Verlauf des 17. Jahrhunderts intensivieren sich die Beziehungen und das exotische Land gewinnt an internationaler Aufmerksamkeit. Nicht nur in politischer Hinsicht tritt das Moskauer Reich allmählich in den Gesichtskreis europäischen Herrscher, die v.a. auf ein Bündnis im Kampf gegen die Osmanische Bedrohung hoffen; auch das mediale Interesse des europäischen Publikums wächst beständig. Daran hat die Entstehung und Entwicklung einer regulären Presse seit Beginn des Jahrhunderts maßgeblichen Anteil. Sie bedient die steigende Nachfrage nach Informationen über das exotisch Fremde.
Nicht mehr nur Fernhändler, die das Land auf den alten Hansewegen über die Ostsee bereisen, gehören zu den Informanten. In zunehmendem Maße bereisen auch Geistliche, Abenteurer, Militärs das Land, wo sie mehr oder weniger unmittelbar zumindest mit bestimmten Bevölkerungskreisen in Kontakt kommen und sich ihren Landsleuten mitteilen wollen. Ihre Darstellungen, so sehr sie sich auch ausdifferenzieren, bleiben natürlich gespickt mit Stereotypen und auch mit groben Fehleinschätzungen. Doch zugleich reflektieren diese Urteile eigene mehr oder weniger landesspezifische politisch, sozial, religiös und kulturell kodierte Bewertungshorizonte der Berichterstatter. Im Seminar geht es darum, solche Berichte als Spuren der Kulturbegegnung zu lesen und dabei den doppelten Bezug von Beschriebenem und Beschreibendem auszuleuchten. Durch diese Fragestellung wird die wissenschaftlich weitgehend unfruchtbare Alternative von richtig oder falsch vermieden, zumal sich hier in vielen Fällen nicht wirklich eine Entscheidung treffen läßt.
Helmut Neubauer: Vom letzten Rjurikiden zum ersten Romanov. In: Handbuch der Geschichte Rußlands. Hrg. von Manfred Hellmann. Band 1. Bis 1613, Halbband 2. Hiersemann, Stuttgart, 1989, S.962-1091.
Handbuch der Geschichte Rußlands. Hrg. von Klaus Zernack. Band 2. Vom Randstaat zur Hegemonialmacht. Halbband 1. Hiersemann, Stuttgart 1986. S.1-246.
Gabriele Scheidegger: Perverses Abendland – barbarisches Russland. Begegnungen des 16. und 17. Jahrhunderts im Schatten kultureller Mißverständnisse. Chronos Verlag, Zürich 1993.
Rhythmus | Tag | Uhrzeit | Format / Ort | Zeitraum | |
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wöchentlich | Mi | 16-18 | C02-228 | 11.10.2010-04.02.2011 |
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Studiengang/-angebot | Gültigkeit | Variante | Untergliederung | Status | Sem. | LP | |
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Geschichtswissenschaft / Bachelor | (Einschreibung bis SoSe 2011) | Kern- und Nebenfach | Modul 2.2; Modul 2.4; Modul 2.8 | Wahlpflicht | 4 | scheinfähig | |
Geschichtswissenschaft (Gym/Ge) / Master of Education | (Einschreibung bis SoSe 2014) | Modul 2.4 | Wahlpflicht | 4 | scheinfähig | ||
Studieren ab 50 |