230601 Beiwerke zum Buch und Inszenierung von Autorschaft (S) (WiSe 2018/2019)

Inhalt, Kommentar

Wenn auch noch nicht so intermedial ausgefeilt wie eine große Literaturausstellung ein Fernsehinterview oder gar eine Selbstinszenierung bei Facebook, sind die „Beiwerke zum Buch“ (Gerard Genette), also die sogenannten Paratexte (Vorworte, Klappentexte, Interviews, Tagebücher, Notizhefte, Briefe, Cover, Gespräche etc.), ab spätestens 1800 ein Ausstellungsverfahren von Autorinnen und Autoren gegenüber der kulturellen Öffentlichkeit. Sie sind auf Wahrnehmung und Diskussion ausgerichtet. Paratextuelle Kommunikation findet im literarischen Feld statt. Sie ist ihm eingeschrieben und gestaltet es mit.
Die an diese Textform gebundenen Deiktika gehorchen einer Strategie der Aufmerksamkeitsproduktion, die für die Kultivierung von symbolischem Kapital (Popularität) unerlässlich ist. Das erklärt die Neigung mancher Schriftsteller vom späten 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart zur Produktion solcher Beiwerke in ganz unterschiedlichen medialen Varianten, ganz gleich ob diese nun vorab, begleitend oder nach der Buchveröffentlichung erfolgt. Sie bilden den Zeigefinger, mit dem auf das Objekt Text hingewiesen wird.
Die Geburt der Kunst erfolgt dabei zwar vermehrt aus dem Geist der Ökonomie und der Praktiken des literarischen Feldes. Zugleich hat der Autor aber auch Anteil an der Gestaltung und ist Segment von ihr. Dieser Einbindung in Prozessualitäten und Diskursivitäten sind sich die Autoren bewusst. So lassen sich unterschiedliche Äußerungen in paratextueller Hinsicht auch als Versuche der Selbstbehauptung von Text und Künstler unter den medialen Gegebenheiten nicht leugnen. Aus der zunehmenden Bewusstwerdung Teil eines komplexen Kommunikationsprozesses zu sein, erwachsen ganz neue kreative Modi der paratextuellen Gestaltung und der bewusst vollzogenen Einflussnahme innerhalb des literarischen Feldes (Kollegen, Kritiker, Leser etc.). Daher sind Bei-werke nicht nur literarischen Einzelwerken vorangestellt. Allzu oft begleiten sie auch ganze Schaffensperioden, ein Gesamtwerk oder eine komplette poetologische Position und erfüllen damit selbst die Funktion der Propagierung einer ästhetiktheoretischen Konzeption.
Die Einsatzgebiete der auktorialen Paratexte sind also vielfältig und ihre Erscheinungsform vielgestaltig. Ihnen spürt die Lehrveranstaltung exemplarisch (Johann Karl Wezel, Johann Wolfgang Goethe, Friedrich Schiller, Friedrich Schlegel, Ludwig Tieck, Jean Paul, Théophile Gautier, Charles Baudelaire, Oscar Wilde, Theodor Storm, Gottfried Benn, Henry de Montherlant, Arno Schmidt, Peter Handke, Heiner Müller, Walter Kempowski etc.) nach, um die Bedeutung der Beiwerke für autorschaftliche Rezeption, aber auch für das Selbstverständnis der Künstler, im Literaturbetrieb genauer zu ergründen.

Teilnahmevoraussetzungen, notwendige Vorkenntnisse

- Besuch einer "Einführung in die Literaturwissenschaft"
- Interesse an Fragen der Autorschaft und der Poetik
- Diskussionsbereitschaft

Literaturangaben

Literaturhinweise:
Pierre Bourdieu: Die Regeln der Kunst. Genese und Struktur des literarischen Feldes. Übersetzt von Bernd Schwibbs und Achim Nusser, Frankfurt am Main 2001.
Till Dembeck: Texte rahmen. Grenzregionen literarischer Werke im 18. Jahrhundert (Gottsched, Wieland, Moritz, Jean Paul), Berlin/New York 2007.
Heinrich Detering (Hg.): Autorschaft. Positionen und Revisionen, Stuttgart/Weimar 2002.
Gérard Genette: Paratexte. Das Buch vom Beiwerk des Buches. Mit einem Vorwort von Harald Weinrich. Aus dem Französischen von Dieter Hornig, Frankfurt am Main 2001. (bitte anschaffen, Arbeitsgrundlage für das Seminar)
Christoph Jürgensen/Gerhard Kaiser: »Schriftstellerische Inszenierungspraktiken – Heuri-stische Typologie und Genese«, in: dies.: (Hgg.): Schriftstellerische Inszenierungspraktiken – Typologie und Geschichte, Heidelberg 2011, S. 9–30.
Georg Stanitzek: »Paratexte«, in: Thomas Anz (Hg.): Handbuch der Literaturwissenschaft. Band 2. Methoden und Theorien, Stuttgart 2007, S. 198–203.
Wolfgang von Ungern-Sternberg: »Schriftsteller und literarischer Markt«, in: Rolf Grimminger (Hg.): Hansers Sozialgeschichte der deutschen Literatur vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Bd. III.1: Deutsche Aufklärung bis zur Französischen Revolution 1680–1789, München/Wien 1980, S. 133–185.
Torsten Voß: "Drumherum geschrieben?" Zur Funktion auktorialer Paratexte für die Inszenierung von Autorschaft um 1800. Mit einer Einleitung von Thomas Wegmann, Torsten Voß und Nadja Reinhard, Hannover 2019
Thomas Wegmann: »Der Dichter als »Letternkrämer«? Zur Funktion von Paratexten für die Organisation von Aufmerksamkeit und Distinktion im literarischen Feld«, in: Das achtzehnte Jahrhundert, Jg. 36 (2012), H. 2, S. 238–249.
Uwe Wirth: Die Geburt des Autors aus dem Geiste der Herausgeberfiktion. Editoriale Rahmung im Roman um 1800: Wieland, Goethe, Brentano, Jean Paul und E.T.A. Hoffmann, München 2008.

Lehrende

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Fachzuordnungen

Modul Veranstaltung Leistungen  
23-GER-PLit3 Autoren, Werke, Diskurse Veranstaltung 1 (mit Modulprüfung) Studienleistung
benotete Prüfungsleistung
Studieninformation
Veranstaltung 2 Studienleistung
Studieninformation
23-LIT-LitBM2 Basismodul 2: Literaturtheorie und Ästhetik Literaturtheorie und Methodologie Studienleistung
Studieninformation
- benotete Prüfungsleistung Studieninformation

Die verbindlichen Modulbeschreibungen enthalten weitere Informationen, auch zu den "Leistungen" und ihren Anforderungen. Sind mehrere "Leistungsformen" möglich, entscheiden die jeweiligen Lehrenden darüber.


Studienleistung: Diskussion eines Beiwerks/Paratexts (ca. zwei Seiten)
Einzelleistung: Hausarbeit (ca. zwölf bis fünfzehn Seiten)

Kein Lernraum vorhanden
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Letzte Änderung Grunddaten/Lehrende:
Mittwoch, 14. November 2018 
Letzte Änderung Zeiten:
Donnerstag, 30. August 2018 
Letzte Änderung Räume:
Donnerstag, 30. August 2018 
Art(en) / SWS
S / 2
Einrichtung
Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft
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