Neben der Global- und Verflechtungsgeschichte, die den Horizont der lange Zeit „eurozentrischen“ Geschichtswissenschaft eher mit exemplarischen Tiefenbohrungen erweitert, steht die als Genre sehr alte, nämlich in Gestalten wie Poseidonios, Diodor und Orosius bis in die Antike zurückreichende Universalgeschichte bemerkenswerterweise wieder in Blüte. Oft als empiriefern, idealistisch-schöngeistig, mechanistisch, teleologisch oder krypto-eurozentrisch geschmäht, haben Gesamtentwürfe der Menschheitsgeschichte aus einer einzigen Feder (also nicht als Sammelwerke!) immer ihr Publikum gefunden. In Fortsetzung einer Kontroverse des 19. Jahrhunderts bieten sie oft eher Kultur- und Zivilisationsgeschichte und grenzen sich ab von der Geschichte der Staaten und ‚großen Männer‘. Neuere Entwürfe von „Big History“ betten den Menschen in die Naturgeschichte vom Urknall bis ins Anthropozän ein und erzählen seine Geschichte als Geschichte von Sprache und Kommunikation, von Technik und Naturbewältigung, von Ressourcenmobilisierung, Herrschaft und Macht, und neuerdings wieder als Wettlauf des Westens und der ‚Anderen‘ – an die Stelle von Aufstieg, Blüte und Niedergang sind Kategorien wie Vorsprung, „performance“ und Stagnation getreten.
Wir werden uns im Seminar schwerpunktmäßig mit einzelnen Autoren und Werken befassen, beginnend mit Arnold Toynbee („A Study of History“, 12 Bände, 1934–1961), fortgeführt mit den Büchern von Hans Freyer, Karl Jaspers, Ernst Nolte, Ian Morris, Yuval Noah Harari und zuletzt Ewald Frie. Wir werden sie kontextualisieren und die hinter ihren Entwürfen stehenden Konzepte so klar wie möglich herauszuarbeiten suchen. Gelesen bzw. vorgestellt werden sollen programmatische, typische sowie das Altertum betreffende größere Ausschnitte. Aus praktischen Gründen ist die Auswahl auf deutschsprachige bzw. ins Deutsche übersetzte (Toynbee, Harari) Autoren beschränkt; wer sich aber etwa mit den höchst einflußreichen Arbeiten von William McNeill befassen möchte, kann das gern tun! Bei Bedarf und entsprechender Teilnehmerzahl kann der Kreis der Autoren und Bücher erweitert werden, um ganz alte (Orosius, Ibn Khaldun), ältere (Hans Delbrück) und neuere (Ernest Gellner).
Abgeschlossenes BA-Studium der Geschichtswissenschaft; Grundkenntnisse der Geschichte des Altertums
Eine Liste mit genauen Angaben zu den behandelten Werken wird zu Beginn des Seminars bereitgestellt.
– Joseph Vogt, Wege zum historischen Universum. Von Ranke bis Toynbee, Stuttgart 1961
– Ernst Nolte, Geschichtsdenken im 20. Jahrhundert. Von Max Weber bis Hans Jonas, Berlin 1991
– Wolfgang Hardtwig, Philipp Müller (Hgg.), Die Vergangenheit der Weltgeschichte. Universalhistorisches Denken in Berlin 1880–1933, Göttingen 2010
– Ernst Schulin (Hg.), Universalgeschichte, Köln 1974
– Jürgen Osterhammel, Alte und neue Zugänge zur Weltgeschichte, in: ders. (Hg.), Weltgeschichte (Basistexte), Stuttgart 2008, 9-32
– Ernst Schulin, Universalgeschichte und abendländische Entwürfe (2002), in: ebd., 49-63
– Patrick Manning, Investigating World History. Historians Create a Global Past, New York 2003
– Jerry H. Bentley, The Task of World History, in: Ders. (Ed.), The Oxford Handbook of World History, Oxford 2012, 1-18
– Michael Bentley, Theories of World History since the Enlightenment, in: Jerry H. Bentley (Ed.), The Oxford Handbook of World History, Oxford 2012, 19-35
– Jerry H. Bentley, The New World History, in: Lloyd Kramer / Sarah Maza (Eds.), A Companion to Western Historical Thought, Oxford 2002, 393-416
– Uwe Walter, Vom Ursprung und Ziel der Geschichte und Historische Existenz: Karl Jaspers’ und Ernst Noltes Geschichtsentwürfe im Vergleich, in: Offener Horizont. Jahrbuch der Karl Jaspers-Gesellschaft 4, 2017, 74-89
– Christoph R. Hatscher, Alte Geschichte und Universalhistorie. Weltgeschichtliche Perspektiven aus althistorischer Sicht, Stuttgart 2003.
Rhythmus | Tag | Uhrzeit | Format / Ort | Zeitraum |
---|
Modul | Veranstaltung | Leistungen | |
---|---|---|---|
22-M-4.1 Theoriemodul | Theorieseminar Transnationale Geschichtsschreibung, Transfer und Vergleich | Studieninformation |
Die verbindlichen Modulbeschreibungen enthalten weitere Informationen, auch zu den "Leistungen" und ihren Anforderungen. Sind mehrere "Leistungsformen" möglich, entscheiden die jeweiligen Lehrenden darüber.
Regelmäßige Anwesenheit und Vorbereitung der zu lesenden Texte; zwei Studienleistungen, etwa: Präsentation eines wiss. Aufsatzes; Vorstellung und kritische Erörterung eines der behandelten Werke. Als Prüfungsleistung ist eine mündliche Prüfung von 20-25 Minuten nach den Vorgaben des Modulhandbuches abzulegen.
Zu dieser Veranstaltung existiert ein Lernraum im E-Learning System. Lehrende können dort Materialien zu dieser Lehrveranstaltung bereitstellen: